Als dienstälteste GEB-Redakteurin kennt Claudia Siegele nicht nur die 20-jährige Historie der Fachzeitschrift von der Pike auf, sondern auch jene drei leitenden Köpfe, die den GEB als Chefredakteur:innen aufgebaut, geprägt und kontinuierlich weiterentwickelt haben. Warum nicht alle drei mal an einen Tisch holen und sie zu ihren Erinnerungen, Highlights, Herausforderungen und Visionen befragen? Claudia Siegele im Gespräch mit Britta Großmann, Pia Grund-Ludwig und dem jetzigen Chefredakteur Joachim Berner.
Du, Britta, warst bereits an der Konzeptfindung des Fachtitels beteiligt und hast den GEB 15 Jahre lang geleitet. Was hat dich damals, im Jahr 2005, bewegt, die Chefredaktion anzunehmen?
Britta Großmann: Während meiner Energieberater-Weiterbildung hatte ich hautnah erlebt, wie schwierig es war, an fundierte fachliche Infos zu kommen. Der Bedarf nach einem entsprechenden Medium war also gegeben. Damals war der Gentner-Verlag in Stuttgart gerade dabei, sich ein Konzept für eine solche Zeitschrift auszudenken. Maßgeblich daran beteiligt waren meine beiden beruflichen Kollegen Jochen Vorländer und Jürgen Wendnagel, die mich fragten, ob ich Lust hätte, zunächst als „Entwicklungsredakteurin“ in das Projekt einzusteigen. Die Zeitschrift gab es ja zu dem Zeitpunkt noch gar nicht. Klar hat mich das motiviert, nicht nur eine Zeitschrift mit ins Leben zu rufen, sondern zugleich die entsprechenden Fachleute zusammenzubringen und so die entstehende Branche mitzugestalten. Von Beginn an war vorgesehen, die Community einbeziehen. Das Credo lautete: von Energieberatern für Energieberater.
Joachim Berner: Wie habt ihr das damals gemacht? So ganz ohne Social Media und noch ohne Internetseite? Ich meine – wie wurdet Ihr für die Community sichtbar?
Großmann: Eine rudimentäre Internetseite gab es zwar bereits. Was vor allem zählte, war der klassische persönliche Kontakt – auf Tagungen, Messen und am Telefon. Insbesondere nachdem im Juni 2005 die 16-seitige GEB-Leseprobe erschienen war, stand das Telefon nicht mehr still. Am Hörer waren interessierte Energieberater, verschiedenste Institutionen sowie die Bauindustrie – sie alle waren neugierig und inspirierten uns.
Erstaunlich spät kam mit der Energie-Kompakt schließlich ein Konkurrenztitel auf den Markt, und es etablierten sich auch Online-Formate wie Enbausa, das ja dein Baby war, Pia. Hattest Du den GEB unter Beobachtung? Und wie kam es, dass Du Dich für die Chefredaktion beworben hast, nachdem feststand, dass sich Britta einer neuen Herausforderung stellt?
Pia Grund-Ludwig: Ich hatte den GEB natürlich immer im Visier. Mit großem Respekt, denn er ist ein sehr gutes Fachmagazin, deshalb habe ich mich 2020 um die Chefredaktion beworben – mitten in der Corona-Pandemie. Ich sah einerseits die hohe Qualität des Titels, aber auch noch brachliegendes Potenzial – und das hat mich sehr gereizt.

Bild: Claudia Siegele
Was hat Dir beim Gebäude-Energieberater damals gefehlt?
Grund-Ludwig: Ich kam mit Enbausa von einem Onlinemagazin zu Print – und habe somit automatisch einen anderen Fokus mitgebracht. Zunächst haben wir damit begonnen, mehr in LinkedIn zu machen. Nächster Schritt war unter anderem der Aufbau einer Signalgruppe für Berufseinsteiger, auf der inzwischen mehr als 700 Fachleute rege miteinander kommunizieren. Die Pandemie hat dann das Thema Weiterbildung mit Online-Webinaren befeuert, die mittlerweile ein weiteres stabiles finanzielles Standbein für die Redaktion sind. Das hat sich dank des guten Standings, das der GEB bei Energieberaterinnen und Energieberatern hat, rasch zu einem Erfolgsmodell entwickelt.
Berner: Dass gleich die allerersten Webinare mit überwältigend hohen Teilnehmerzahlen so gut eingeschlagen haben, wäre ohne die langjährige enge Verbindung des GEB zur Community gar nicht möglich gewesen.
Die Community ist das eine – aber ich glaube, man kann durchaus sagen, dass der GEB nach dem Inkrafttreten der EnEV und dem Aufkommen der Energieausweise durch seine Präsenz am Zeitschriftenmarkt auch mit dazu beitrug, dass sich die Energieberatung zu einem eigenständigen Berufsbild gewandelt hat. Wie hast Du das erlebt, Britta?
Großmann: In jener Pionierphase erwuchs aus unterschiedlichen Beratungsangeboten mit diversen Fachleuten die Energieberaterbranche. Die Redaktion suchte von Beginn an den engen Austausch mit den Energieberaterverbänden, ohne sich aber von diesen einnehmen zu lassen. Die GEB-Ausgaben waren besonders zu Anfang gefüllt mit Erfahrungsberichten, später kamen Referenzen der Energieberater in Form von Objektberichten hinzu. Damit formte sich über die Zeit ein reger Austausch – woraus wiederum unser Forum und die Frage des Monats entstanden ist, die die Leser trotz sozialer Medien bis heute nutzen, weil es ein ganz eigener Raum für die Community ist.
Ja, die Print-Pionierzeit war ebenso aufregend wie die Aufbruchstimmung mit den digitalen Medien. Beides verlief erstaunlich erfolgreich – der GEB zählte nach kurzer Zeit vom Stand weg 8.000 Abonnenten, und auch der Newsletter hat mit 17.000 registrierten Empfängern die Erwartungen unseres Alt-Verlegers Erwin Fidelis Reisch weit übertroffen. Eine Situation, die für den frisch gebackenen GEB-Chefredakteur Joachim Berner zweifellos eine gute Basis für die kommenden Herausforderungen ist, oder?
Berner: Absolut, aber die große Frage lautet, wie es mit den Förderungen weitergeht. Denn diese beeinflussen die Energieberatung ganz erheblich. Kommen Häuslebauer oder Eigentümer von Bestandsbauten noch zu einem Energieberater, wenn der Staat die Förderung für energetische Maßnahmen einstellt? Ob bei den Bürgern der Energiespargedanke tatsächlich schon so tief verankert ist, dass er auch ohne Fördergelder fachlichen Rat sucht? Der GEB wird künftig noch viel stärker als aktuell Orientierung bieten und Fachwissen vermitteln müssen. Die Aufgaben für Energieberaterinnen und Energieberater werden ja nicht weniger und auch nicht weniger komplex.
Zum Beispiel Öko-Bilanzierung und Gebäudezertifizierung?
Berner: Ja, auch. Früher gab es einfach viel weniger Alternativen zu Öl und Gas. Heute reden wir über Stromspeicher, PVT, hybride Systeme, Wasserstoff, dazu serielles Bauen und so weiter und so fort. Ohne permanente Fortbildung ist man schnell aus dem Rennen. Folglich müssen auch wir als Redaktion stets am Ball bleiben – es liegt an uns, die Themen von morgen zu kennen und die entsprechenden Infos aktuell zu liefern.
Wo siehst Du die Zukunft von Print? Gibt es in zehn Jahren noch eine Fachzeitschrift GEB zum Durchblättern?
Berner: Print und Online sind und bleiben die zwei tragenden Säulen des GEB – aber auf vier Säulen oder mehr stehen wir noch viel stabiler. Denken wir an das Thema Webinare und an Weiterbildung generell. Der GEB als hoch qualitatives Wissensmagazin ist auch in Zukunft wichtig. Aber wir dürfen die Augen vor den Veränderungen nicht verschließen – junge Energieberaterinnen und Energieberater sind mit den neuen Medien aufgewachsen – ob diese noch in einer Zeitschrift blättern wollen, müssen wir genau beobachten und eventuell überlegen, ob man Heftinhalte in anderer Form als bisher online rüberbringt.
Teilst du als ausscheidende oder ausgeschiedene Chefredakteurin diese Visionen von Joachim?
Grund-Ludwig: Definitiv. Es war ja ein sehr abrupter Übergang und ich finde neue Ideen, neue Konzepte, einen neuen Schwung immer gut. Der Generationenwechsel in der Branche ist nicht zu leugnen, und diesen müssen wir als GEB berücksichtigen. Wir dürfen mit Inhalten nicht nur in die Tiefe gehen, um die „alten Hasen“ mit speziellen Infos zu versorgen, sondern müssen immer noch und immer wieder auch Basics für die Newcomer vermitteln – in Print und Online. Der Zuspruch, den wir für das Abo haben, zeigt, dass die Leser Print wollen. Dieses Niveau in Anbetracht neuer Lesegewohnheiten zu halten, das wird eine Herausforderung sein.
Großmann: Der Generationenwechsel findet ja nicht nur bei den Energieberatern und Lesern statt, sondern auch bei den Fachautoren und Ansprechpersonen bei Institutionen wie der KfW und dem Bafa, also auf Seiten der Wissens- und Informationsvermittler. Wichtig ist, an diesen Kontakten dranzubleiben.

Bild: Claudia Siegele
Wie sieht es bei den Veränderungen im Denken aus? Gewohnte Sichtweisen geraten aktuell sehr ins Rutschen, sowohl was den technische Fortschritt angeht als auch was Politik und Gesellschaftlich betrifft. Wo und wie muss sich die GEB-Redaktion einbringen, um auch künftig wichtiges Sprachrohr in der Branche zu bleiben?
Grund-Ludwig: Wir dürfen nicht nachlassen, darauf hinzuweisen, dass Klimaschutz kein Luxus ist. Dass Menschen bezahlbaren Wohnraum benötigen. Dass wir schonend mit Umwelt und Ressourcen umgehen müssen, um unsere Lebensgrundlage zu erhalten.
Großmann: Nicht zu vergessen die Aspekte Sicherheit und Resilienz. In heutigen Zeiten, denke ich, ist das wichtiger denn je.
Berner: Nur wenn wir die Themen frühzeitig aufgreifen, können wir auch die Sichtweise mitbestimmen. Denken wir an das Thema Kreislaufwirtschaft im Bauwesen. Darüber haben wir immer wieder berichtet, und heute ist es kein Trend mehr, sondern ein nicht mehr weg zu denkendes Thema. Eine informierte Redaktion mit der Nase im Wind wirkt wie ein Seismograf für kommende Entwicklungen. Wer den GEB liest, ist einfach auf der Höhe der Zeit und stets über aktuelle Entwicklungen informiert.
Grund-Ludwig: Ein wichtiges Pfund, um auf Veränderungen schnell reagieren zu können, ist auch der hinter uns stehende Verlag sowie der interne Austausch mit unseren Kolleginnen und Kollegen von anderen Fachredaktionen im Haus. Einen Verleger in der Chefetage zu haben, der weiß, wo er hinwill, der redaktionelle Ideen und Konzepte entsprechend einordnet und mitzugehen weiß, stärkt den GEB enorm.
Berner: Aber ohne ein kompetentes Redaktionsteam ist alles Nichts. Mit dir, Claudia, mit Alexander Borchert, mit Markus Strehlitz und neuerdings mit unserer Volontärin Alisia Romeo sind wir ein schlagkräftiges Team mit ganz verschiedenen Fähigkeiten und fachlichen Hintergründen. Der Anteil an Eigenbeiträgen ist im GEB inzwischen richtig hoch. Das heißt, wir bearbeiten die Themen selbst aus der Redaktion heraus – wir übernehmen keine Inhalte, sondern recherchieren eigenständig, erarbeiten uns das Wissen und erweitern ständig unsere Kontakte. Im GEB liest man in der Regel keine Artikel, die anderswo gleichlautend abgeduckt sind.
Was waren eure persönlichen Highlights in der Redaktion und beim Heft in eurer Zeit, wo ihr Verantwortung getragen habt oder mitgearbeitet hat?
Großmann: Was mich angeht, fällt mir die Nominierung zur Fachzeitschrift des Jahres ein. Das war ein echtes Highlight. Auch, dass uns teilweise aus Ministerien oder von Seiten der KfW und des Bafa Informationen anvertraut wurden, bevor sie spruchreif waren. Das gab uns einen ungemein wichtigen Informationsvorsprung und machte den GEB zu einem äußert aktuellen und gut informierten Magazin.
Grund-Ludwig: Eines meiner Highlights war das erste Fachforum Gebäudehülle; damals wurde uns förmlich die Bude eingerannt. Ebenso bei den ersten Webinaren, wo wir die Teilnehmer begrenzen mussten, damit auch Fragen gestellt werden konnten. Und einen eigenen Podcast starten zu können, hat natürlich auch Spaß gemacht.
Berner: Mein persönliches Highlight ist unser jährlicher Redaktionsworkshop. Gemeinsam im Team zu diskutieren und die Themen, Ideen und Events fürs kommende Jahr zu planen, das finde ich mega.