Alles in allem handelt es sich bei der Kleinwindkraft um einen Markt in früher Entwicklungsphase. Schaut man 15 Jahre zurück, so kann man Parallelen zur Photovoltaikbranche erkennen. Der Solarsektor in Deutschland ist mittlerweile professionell und die Projekte gehen schnell über die Bühne. Kleinwindkraft so nebenbei funktioniert aber kaum. Vor allem als Newcomer braucht man ein dickes Fell und Geduld in der Anfangsphase. Das muss jedem bewusst sein, bevor er sich in das Abenteuer der Kleinwindkraft begibt. So mancher, der sich für den Vertrieb kleiner Windräder entschieden hat, musste nach den ersten Hürden aufgeben. Auf Besonderheiten im Vertrieb von Kleinwindkraftanlagen und deren Installation wird im Folgenden eingegangen.
Gute Standorte erkennen
Ein entscheidender Unterschied zwischen Photovoltaik und Kleinwindanlagen ist das standortspezifische Energiepotenzial und dessen Erfassung. Das bezieht sich auf die Frage, ob auf einem Grundstück überhaupt genug Wind vorhanden ist. An vielen für Photovoltaik geeigneten Standorten ist der Betrieb von Kleinwindkraftanlagen nicht möglich. Das hat einen einfachen Grund: Die Sonnenstrahlen fallen vor allem in sonnenstarken Monaten von oben auf die Module. Aufgrund der vertikalen Einstrahlung führen Hindernisse wie Bäume selten zu einer Verschattung. Ganz anders verhält sich die Windströmung: Der Wind bewegt sich parallel zur Erdoberfläche. Vor allem in Bodennähe führen Vegetation und Gebäude zu ungünstigen Windverhältnissen. Je weiter der Rotor vom Boden entfernt ist, desto stärker weht der Wind. Deshalb weitet man bei Großwindkraftanlagen die Turmhöhe sukzessive aus. Bei Kleinwindkraftanlagen ist das aufgrund des Genehmigungsrechts nicht möglich. Bei 30 Metern Rotorhöhe ist in Deutschland in der Regel Schluss.
Anbieter von Kleinwindkraftanlagen müssen sich mit der windenergiespezifischen Standortevaluierung auseinandersetzen. Mit Online-Tools und Windkarten lassen sich keine genauen Winddaten eines konkreten Standorts erfassen. Nur eine Windmessung mit guter Messtechnik am geplanten Installationsort wird zur korrekten Ermittlung der mittleren Jahreswindgeschwindigkeit führen. Windmessungen als Dienstleistung sollten also mit angeboten werden. Windmessgeräte kann man kaufen oder mieten. Mit der Zeit wird man einen Blick für gute und schlechte Standorte bekommen. Immer wieder interessieren sich Hausbesitzer für Kleinwindanlagen, deren Grundstücke nicht geeignet sind. Das gilt oft für Wohngebiete. Wenn ein anderes Wohnhaus oder eine große Tanne in der Hauptwindrichtung stehen, braucht man keine Windmessung, sondern kann dem Kunden gleich eine Absage erteilen. Andererseits gibt es Grundstücke mit guten Lagen, deren Besitzer sich noch nicht mit Kleinwindkraft beschäftigt haben und die man auf diesen Standortvorteil aufmerksam machen sollte. Infrage kommen freiliegende landwirtschaftliche Höfe oder Randgebiete von Industrie- und Gewerbegebieten und weiträumige Privatgrundstücke in westlicher Randlage von Siedlungen. Ein Interessent aus Bayern könnte sich berechtigterweise die Frage stellen, ob die Installation kleiner Windräder im Binnenland überhaupt sinnvoll ist. Denn grob betrachtet befinden sich die windstärksten Standorte in Norddeutschland in Küstennähe. Im Binnenland dagegen sind die mittleren Jahreswindgeschwindigkeiten in der Regel geringer. Das ist allerdings eine pauschale und großräumige Betrachtungsweise. Auch im Landesinneren gibt es geeignete Standorte, die aus Hauptwindrichtung frei angeströmt werden. Dazu zählen die sogenannten Mühlberge, die schon im Mittelalter als Standorte für Windmühlen genutzt wurden. Manche Hersteller berichten, dass das Geschäft in einigen niedersächsischen Regionen schleppend läuft, was mit der Genehmigungspraxis zu tun hat. Aus Bayern dagegen kommen eher positive Signale, die dortigen Behörden scheinen offener gegenüber der Kleinwindkraft zu sein.
Das Problem der Genehmigung
Der Hauptgrund, warum so mancher Installateur die Kleinwindflinte ins Korn geworfen hat, betrifft die Genehmigung. Warum kleine Windgeneratoren oftmals eine Baugenehmigung benötigen, ist offensichtlich: Der Rotor kann Schall und Schatten emittieren, zudem stellt er ein Sicherheitsrisiko dar. Auch visuelle Aspekte sind relevant: Während sich die Solaranlage an die Dachhaut schmiegt, sind Kleinwindanlagen visuell sehr präsent. Das hängt unmittelbar von der Masthöhe und dem Rotordurchmesser ab. Ein Miniwindrad kaum größer als eine Satellitenschüssel fällt weniger ins Gewicht. Im Vergleich mit Großwindkraftanlagen ist die Präsenz von Kleinwindturbinen im Landschaftsbild marginal. In manchen Bundesländern ist die Aufstellung einer Kleinwindkraftanlage bis zehn Meter Höhe ohne Genehmigung zulässig. Dann müssen Planer und Installateur dafür sorgen, dass alle öffent lichen Anforderungen erfüllt werden. Es versteht sich von selbst, dass eine zehn Meter hohe Anlage nur Sinn macht, wenn in Rotorhöhe der Wind ausreichend stark ist.
Entscheidend für den Erfolg des Bauantrags sind die Einschätzungen und Urteile des Bauamts und der Fachbehörden vor Ort. Dies hängt wiederum an einzelnen Personen. Manche Bauamtsmitarbeiter sind offen und kooperativ. Es gibt aber auch Personen, die Windräder skeptisch beurteilen. Es kann von Vorteil sein, wenn sich das Vertriebsgebiet über mehrere Kommunen mit unterschiedlichen Bauämtern erstreckt. Wenn in einer Kommune die Projekte ins Stocken geraten, gehen Sie beim kooperativen Bauamt in der Nachbarkommune eventuell schneller von der Hand. Je höher und je größer der Windgenerator, desto anspruchsvoller werden in der Regel die genehmigungsrechtlichen Anforderungen. Es muss die Bereitschaft vorhanden sein, sich mit baurechtlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Auch der richtige Umgang mit den Bauamtsmitarbeitern will gelernt sein. So manchem hemdsärmeligen Solarteur, der die schnelle und reibungslose Umsetzung von Solargeneratoren gewohnt ist, reißt der Geduldsfaden. Geduld und diplomatisches Auftreten sind die bessere Lösung.
Wahl der Generatoren und Partner
Von großer Bedeutung ist die Wahl der Windgeneratoren. Kleine Windturbinen können entweder vom Hersteller, über den Großhandel oder über Vertriebspartner bezogen werden, die den Generalvertrieb ausländischer Hersteller übernommen haben. Allerdings sind längst nicht alle auf dem Markt angebotenen Kleinwindkraftanlagen erprobt und qualitativ hochwertig. Einen Überblick über empfehlenswerte Anlagen bietet der Kleinwind-Marktreport 2013 – 2014 (siehe Infokasten S. 33).
Die Größe der Kleinwindkraftanlage in Form der Nennleistung und des Rotordurchmessers orientiert sich am Strombedarf des Kunden. Manche Unternehmen bieten Systemlösungen an, um mit dem überschüssigen Strom zu heizen. Der Windstrom wird nicht ins Netz eingespeist, sondern in einen Heizstab im Warmwasserspeicher geleitet. Die Heizperiode entspricht schließlich den windstarken Zeiten. Neben der Qualität der Technik sollte geprüft werden, welche unterstützenden Dienstleistungen der Hersteller oder Händler bei der Abwicklung von Kleinwindprojekten anbietet. Das fängt beim Thema Standortevaluierung und Windmessung an. Weitere Schritte sind die Anlagendimensionierung und die Systemauslegung. Schließlich kann eine Unterstützung bei der Genehmigung von großem Nutzen sein. Dazu zählen technische Dokumentationen, Zertifizierung oder Typenprüfung. Sie können beim Bauamt eingereicht werden. Auch juristische Beratungsleistungen zu speziellen Fragen oder im Diskurs mit dem Bauamt können dem Installateur eine große Hilfe sein. Vereinzelt haben Hersteller für diese Zwecke Anwälte fest eingestellt. Wichtig sind auch die Abwicklung von Garantiefällen und die schnelle Bereitstellung von Ersatzteilen. Im Zweifelsfalle kann ein deutscher Hersteller schneller und besser auf Garantiefälle reagieren und professionellen Support leisten.
Fazit
Wer seine Kunden zu Kleinwindkraftanlagen beraten will, muss voll hinter der Sache stehen. Es gilt: Ganz oder gar nicht. Nebenbei ein paar Kleinwindanlagen projektieren, das wird kaum funktionieren. Die Komplexität steigt mit der Anlagengröße. Eine Zehn-Kilo watt-Turbine mit sieben Meter Rotordurchmesser auf einem 30 Meter hohen Mast ist in der Projektabwicklung erheblich aufwendiger als das Hobby-Windrad auf einem zehn-Meter-Mast. Entsprechend unterschiedlich sind die Umsätze.
Man muss die Bereitschaft haben, sich in neue Themen einzuarbeiten. Dazu zählen Standortprüfung, Windmessung und genehmigungsrechtliche Grundlagen. Mit der Zeit werden die Projekte schneller umgesetzt, da die Erfahrung wächst. Erfolgreiche Refe renz pro jekte werden das Geschäft beleben.
Autor
Patrick Jüttemann
betreibt ein Webportal für interessierte Endkunden, Installateure und Planer. Neben Basisinformationen über Technik, Genehmigungen, Standorte und Wirtschaftlichkeit sind hier unter anderem ein Kleinwindanlagen-Rechner und Antworten auf häufige Fragen zu finden.http://www.klein-windkraftanlagen.com
Info
- Kleinwind-Marktreport 2013 – 2014
- Photovoltaik 09-2013