Mit der „Dicken-Daumen-Regel“ werden bis heute einfache Heizungsrohrnetze überschlägig dimensioniert. Notfalls werden Heizkurven angehoben oder leistungsfähigere Heizungspumpen eingebaut, was jedoch einen unnötig hohen Energieverbrauch zur Folge hat. Wird der Rohrquerschnitt dagegen zu groß gewählt, verursacht das unnötig höhere Kosten für Rohre, Dämmung und Zubehör. Eine Heizungsrohrnetz-Berechnung ist also nicht nur bei Großanlagen sinnvoll. Dabei gilt es, Druckverluste und somit den Energiebedarf von Heizungspumpen im Rahmen zu halten sowie Strömungsgeschwindigkeiten zu begrenzen, damit im Betrieb keine störenden Strömungsgeräusche entstehen. Eine präzise Berechnung ist Grundlage dafür, dass eine Anlage nach der Einregulierung optimal funktioniert.
Heizkörper auslegen
Für die Heizkörper- und Rohrnetzplanung werden in der Regel CAD-Architektenpläne mit den entsprechenden Raumdaten per DXF-, DWG- oder IFC-Schnittstelle importiert. Teilweise ist auch ein Import von Pixel- oder PDF-Daten möglich. Damit lassen sich gescannte Papier-Bestandspläne importieren und kalibrieren, sodass auf einer separaten Zeichnungsfolie die Heizkörper und das Rohrnetz darüber geplant werden können. Liegen weder digitale Daten noch Papierpläne vor, muss der Grundriss bzw. das Gebäude per 2D-Zeichnungs- oder 3D-Gebäudeeditor eingegeben werden. Die für die Heizkörperauslegung erforderlichen Heizlast- bzw. Heizleistungsdaten werden entweder zuvor separat berechnet und manuell eingegeben oder aus einem Heizlast-Modul übernommen (s. auch „Wärme mit Kalkül – Heizlast-Berechnungssoftware“, GEB 04-2015, Webcode 644447).
Anschließend werden entsprechend der Raumheizlast gemäß DIN EN 12831 [1], [2] und nach VDI 6030 [3] die Heizkörper nach den technischen und geometrischen Randbedingungen gebäude-, geschoss- oder raumweise manuell oder automatisch mit Hilfe eines Auslegungs-Assistenten im Raum verteilt. Dabei lässt sich per Voreinstellung beispielsweise definieren, dass Anzahl, Breite und Brüstungshöhe vorhandener Fenster die Heizkörperabmessungen bestimmen oder dass nur Heizkörper mit einer vorgegebenen Höhe, Breite oder Tiefe bzw. nur eines bestimmten Herstellers oder Typs verwendet werden. Letztere werden aus den Bauteil-Katalogen mit Herstellerdatensätzen nach VDI 3805 [5] ausgewählt und manuell oder gemäß den Voreinstellungen in den Räumen automatisch positioniert. Diese Vorauswahl kann später geändert werden. Im nächsten Schritt werden die Heizkörper an das Rohrnetz angeschlossen (s. u.).
Analog ermöglichen die Programme das Auslegen von Flächenheizungen gemäß DIN EN 1264-3 [6] und unterstützen Planer beim Ermitteln der günstigsten Vorlauftemperatur und von sinnvollen Verlegeabständen, bei der Dimensionierung von Heizkreisen und Verteilern – wahlweise für das gesamte Projekt, Gebäude, Geschoss oder für den einzelnen Raum – sowie bei der Planung von Aufenthalts-, Rand- und Kombizonen.
Rohrnetz berechnen
Auch das Rohrnetz wird auf der Grundlage eines Strangschemas, 2D-Grundrisses oder 3D-Modells ausgelegt. Wenn die Anzahl und Lage der Heizkörper feststeht, kann die Trassenführung im Grundriss, in der Ansicht oder in der 3D-Projektion definiert werden. In dieser Entwurfsphase werden Heizungsleitungen häufig als einfache Systemlinie dargestellt, die der Achse der späteren 3D-Rohrleitungen samt Dämmung entspricht. Einige Programme erleichtern die Trassenführung mit einem „Verlege-Assistenten“, der Leitungen automatisch innerhalb der Wand oder entsprechend eines definierten Wandabstands im Estrich bis zum jeweiligen Steigstrang führt. Werden zwei Leitungssegmente ausgewählt, schlägt das Programm mehrere Verbindungsvarianten zur Auswahl vor. Funktionen wie das Kopieren, Drehen, Spiegeln oder Strecken bereits erstellter Teilstrecken verkürzen ebenfalls die Bearbeitungszeit.
Heizkörper werden automatisch an das Rohrnetz angebunden, wobei man zwischen mehreren Anschlussvarianten wählen kann, z. B. gleich- oder wechselseitig, reitend, hängend, mittig. Werden Heizkörper hinzugefügt oder entfernt, öffnet bzw. schließt das Programm die Leitungsstränge selbstständig. Nachdem die Leitungsführung im Gebäude vorgegeben und die Heizkörper automatisch angebunden wurden, legt die Software das Rohrnetz entsprechend der Massenströme aus. Randbedingungen sind dabei die maximale Strömungsgeschwindigkeit und der materialabhängige Rohrreibungswiderstand (R-Wert). Berücksichtigt werden die Leitungsführungs-Systeme Zweirohr und Einrohr, teilweise auch Tichelmann. Prinzipiell können die Heizungsrohre nach unterschiedlichen (maximalen oder minimalen) Vorgabewerten für den ungünstigsten (längsten) Fließweg dimensioniert werden. Dazu gehören der Durchmesser, die Dämmdicke, die Gesamtdruckdifferenz, das Druckgefälle oder die Fließgeschwindigkeit. Andere Heizkörper und Verteiler können auch mit einem größeren Druckgefälle angeschlossen werden, die Minimierung der Rohrnennweite wird dann spätestens von der Strömungsgeschwindigkeit begrenzt. Aus konstruktiven Überlegungen kann auch ein minimaler Durchmesser, beispielsweise DN 10, vorgegeben werden.
Mit den Dimensionierungsvorgaben und dem aus der Trassenführung und der Heizflächenauslegung jeder Teilstrecke zugeordneten Massenstrom berechnet die Software unter Berücksichtigung von Ventildaten (kv-Werte) und formstückabhängigen Widerstandsbeiwerten (Zeta-Werte) die passenden Nennweiten und die Förderhöhe der Umwälzpumpe(n) sowie die Voreinstellwerte für Heizkörperventile und Strangarmaturen für den hydraulischen Abgleich.
Kontrollieren und optimieren
Eine 3D-modellbasierende Heizungsrohrnetz-Planung bietet mehr Sicherheit als bei der konventionellen Planung: So kann man beispielsweise über eine visuelle oder automatische Kollisionskontrolle prüfen, ob sich Rohrleitungen mit anderen Objekten der Heizungsanlage oder mit Gebäudebauteilen unzulässig überschneiden. Wird parallel auch das Trink-, Abwasser- oder Lüftungsnetz geplant, ist eine TGA-übergreifende Kollisionskontrolle möglich. Visualisierungen können zudem für Angebote, die Projektdokumentation oder als Installations- und Montagehilfe eingesetzt werden. Die Software stellt alle aus dem Bauteil-Katalog ausgewählten Bauelemente der Heizungsanlage mit ihren tatsächlichen Abmessungen und Einbaupositionen genau so dar, wie sie später vor Ort montiert werden. Diese exakte Vorwegnahme der späteren räumlichen Verhältnisse, insbesondere von beengten Technikzentralen oder Installationsschächten, hat Vorteile: Eine zentimetergenaue 3D-Planung und Visualisierung von Heizkesseln, Pufferspeichern, Armaturen und Rohren inklusive Dämmung zeigt die realen Platzverhältnisse und verfügbaren Arbeitsräume frühzeitig und beugt so späteren Montage- und Wartungsproblemen vor. Einige Programme unterstützen auch die Schlitz- und Durchbruchsplanung (HOAI-Leistungsphase 5): So werden für Rohrleitungen, die Wände oder Decken durchdringen, automatisch die notwendigen Wand- und Deckendurchbrüche generiert. Eine visuelle Kontrolle ist meist dennoch erforderlich, um in Kombination mit anderen Öffnungen eine zulassungskonforme Abschottung der Brandabschnitte zu gewährleisten.
Alle Berechnungsergebnisse lassen sich vielfältig auswerten und ausgeben: Visualisierungen und Diagramme zeigen Temperaturen, Druckverluste, Nennweiten oder Wärmeströme an und vereinfachen damit die Analyse und Optimierung des Rohrnetzes. Stücklisten, Massenzusammenstellungen und Bestelllisten mit Artikelnummern des gewählten Herstellers nach beliebigen Merkmalen sortiert vereinfachen die Materialbestellung, Installation und Montage. (PDF-)Druckoptionen ermöglichen die Ausgabe als Strang-Grafik oder als Tabelle, sortiert nach Bauteilen, Herstellern oder technischen Werten – wahlweise separat für Rohre, Formstücke, Ventile, Regler, Wärmedämmung und Zubehör.
Wer bietet was – und was nicht?
Rund 20 Programme für die Heizungsrohrnetz-Planung und -Berechnung von Software-, teilweise auch von SHK-Produktanbietern stehen zur Auswahl. In der Konzeption, im Funktionsumfang und den Möglichkeiten unterscheiden sie sich teilweise deutlich. Alle Programme unterstützen sowohl die Neuplanung von Heizungsrohrnetzen als auch die Überprüfung bestehender Netze sowie den hydraulischen Abgleich („Kleiner Aufwand, große Wirkung – Software für den hydraulischen Abgleich“, GEB 04-2018, Webcode 813920).
Angeboten wird Software mit tabellen- oder schemaorientierter Eingabe (z. B. Vitodesk 200 Smartplan oder ZVPLAN), 2D-Programme mit integrierter Berechnung (beispielsweise HT 2000-CAE oder STUDIO 2.0) bis hin zu 3D-CAD- oder BIM-Lösungen, mit denen auch komplexe Systeme dreidimensional geplant, visualisiert und auf mögliche Kollisionen überprüft werden können (z. B. DDS-CAD, liNear Analyse Heating, Plancal nova, RUKON-HSR etc.).
Welche Lösung zu einem Planungsbüro oder zu einem SHK-Installationsbetrieb inklusive Planungsabteilung am besten passt, hängt von der Verwendung, den Projekten und der Nutzungshäufigkeit ab. So eignen sich beispielsweise Rechenprogramme mit tabellarischer, bzw. Strangschema-orientierter Eingabe vor allem für Installateure ohne CAD-Kenntnisse, die überschaubare Projekte planen oder bestehende Teilstränge überprüfen. Auch 2D-CAD führt häufig schneller zum Ziel als die aufwendigere Planung am 3D-Modell – etwa bei einfachen Anlagen kleiner und mittlerer Wohngebäude. Ist das Heizungsrohrnetz allerdings weit verzweigt und verwinkelt, geht es über mehrere Etagen und Bauabschnitte, wiegt der Nutzen einer 3D-Eingabe stärker als der Mehraufwand, weil man nicht die Übersicht verliert.
Die Unterschiede zwischen den Programmen liegen im Detail und zeigen sich beispielsweise darin, wie komfortabel Bauteile aus Bauteilkatalogen ausgewählt, Heizkörper oder Leitungstrassen automatisch ausgelegt werden oder wie schnell sich Änderungen im Grundriss oder im Leitungssystem in allen Ebenen umsetzen lassen. Unterschiede zeigen sich auch, wenn es komplexer wird: Sollen etwa gekoppelte Anlagen oder Mehrkesselanlagen inklusive Pufferspeichern, hydraulischen Weichen, Wärmeüberträgern, Volumenstrom- und Differenzdruckreglern etc. als Gesamtsystem berechnet werden, ohne dass eine umständliche Unterteilung in berechenbare Teilnetze notwendig ist, müssen einige Programme passen. Auch bei Einspritz-, Verteiler- und Beimischschaltungen sind manche Programme überfordert. Neben den Kosten für die Software, Wartungsverträge und gegebenenfalls eine zusätzliche Basis-Software, sollte man bei der Programmauswahl auch diese Einschränkungen berücksichtigen, sofern sie in der Planungspraxis relevant sind.
Richtlinien/Normen
[1] DIN EN 12831-1: Heizungsanlagen in Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast, Teil 1: Raumheizlast, Modul M3-3; Beuth/Berlin, September 2017 (Vollständig anwendbar erst zusammen mit dem Gründruck DIN SPEC 12831-1)
[2] DIN SPEC 12831-1 (Entwurf): Verfahren zur Berechnung der Raumheizlast – Teil 1: Nationale Ergänzungen zur DIN EN 12831-1, Beuth/Berlin, Oktober 2018
[3] DIN V 4108-6: Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 6: Berechnung des Jahresheizwärme- und des Jahresheizenergiebedarfs, Beuth/Berlin, Juni 2003, Berichtigung März 2004
[3] VDI 6030, Blatt 1: Auslegung von freien Raumheizflächen – Grundlagen – Auslegung von Raumheizkörpern, Beuth/Berlin, Juli 2002
[4] DIN EN 1264-3: Raumflächenintegrierte Heiz- und Kühlsysteme mit Wasserdurchströmung – Teil 3: Auslegung, Beuth/Berlin, November 2009
[5] VDI 3805, Blatt 2: Produktdatenaustausch in der Technischen Gebäudeausrüstung – Armaturen für Heizungen, Beuth/Berlin, Januar 2016
[6] DIN EN ISO 11855-1 bis -4 Umweltgerechte Gebäudeplanung – Planung, Auslegung, Installation und Steuerung flächenintegrierter Strahlheizungs- und -kühlsysteme – Teil 1: Begriffe, Symbole und Komfortkriterien; Teil 2: Bestimmung der Auslegungs-Heiz- bzw. Kühlleistung; Teil 3: Planung und Auslegung; Teil 4: Auslegung und Berechnung der dynamischen Wärme- und Kühlleistung für thermoaktive Bauteilsysteme (TABS), Beuth/Berlin, November 2011, Teil 1, 2 und 4 berichtigt im November 2016