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Infrarot-Profikameras im Vergleich

Scharfe Bilder aus der ­Rotlichtszene

Wer schärfer sieht, erkennt mehr! Das gilt auch für Wärmebilder. Im Baubereich, der Instandhaltung haustechnischer Anlagen oder der Inspektion von Photovoltaik-Anlagen spielt die Detektorauflösung eine entscheidende Rolle. Zu geringe Auflösungen können dazu führen, dass man Detailprobleme an der Fassade oder Schäden an PV-Modulen übersieht. Diese Gefahr besteht insbesondere beim Einsatz von Einsteiger-Kameras mit einer Detektor-Auflösung von 160 x 120 IR-Pixeln und weniger (siehe auch GEB 01/2013). Mit einer hoch auflösenden Infrarotkamera lassen sich diese Fehlerquellen ausschließen. Außerdem ist man schneller: Während bei großen Objekten mit Low-Cost-Kameras eine Vielzahl von Aufnahmen notwendig ist, um Details überhaupt erkennen zu können, reicht mit einer Profi-Kamera meist eine einzige Aufnahme. Insgesamt sind weniger Schwenk-/Neige-Bewegungen und weniger Aufnahmen erforderlich, was die thermografische Erfassung vor Ort, aber auch die Auswertung im Büro verkürzt und rationalisiert.

Der Detektor macht die halbe IR-Kamera aus

Gute Thermografie-Kameras haben ihren Preis, Qualität gibt es gerade in der Thermografie nicht zum Nulltarif.Viele der Kamerakomponenten und -materialien sind teuer, wie etwa die aus dem Halbleiter Germanium bestehende hochwertige Optik. Auch Herstellungs-, Bearbeitungs- und Kalibrierungsverfahren sind geräte-, personal- und kostenintensiv. Neben den Kamerakomponenten wie z. B. Detektortyp und Optik sowie technischen Parametern, z. B. Detek­tor­auf­lö­sung, geometrische Auflösung und thermische Empfindlichkeit, haben auch Kalibrierung, Wartung, Schulung und Service Einfluss auf die Wertigkeit einer Infrarot-Kamera. Die Detektoren ungekühlter Thermografiekameras – dem aktuellen Standard bei handgeführten Systemen – bestehen aus sogenannten Mikrobolometer-Focal Plane Arrays – einer Matrix aus winzigen Strahlungsdetektor-Zellen. Je dichter das Matrixraster ist und je mehr Detektorzellen vorhanden sind, desto besser ist die Wärmebild-Qualität.

Die Detektorauflösung, also die Anzahl der auf dem Sensor in X- und Y-Richtung verteilten Detektorzellen, ist deshalb ein wichtiges Qualitätskriterium. Ähnlich wie vor einigen Jahren im Digitalkamera-Bereich, beginnt auch bei den IR-Kameras allmählich das „Pixelrennen“, wenn auch auf niedrigerem ­Niveau. Als Stand der Technik gelten heute Kameras mit 320 x 240 IR-Bildpunkten – auch deshalb, weil sie im Sachverständigen-Bereich und bei thermografischen Gutachten auch vor Gericht Bestand haben. Doch die Technik schreitet voran und immer mehr Anbieter haben Kameras mit VGA-Auflösung (640 x 480) im Programm. Die nächste Detek­tor-Generation mit 1024 x 768 IR-Bildpunkten wurde kürzlich von Infra­Tec mit der VarioCAM HD 900 vorgestellt. Das ist gegenüber der Einsteiger-, Standard- bzw. Profiklasse 20, 10 bzw. 2,5-mal mehr (siehe auch Abb. 2). Die von eini­gen Herstellern angebotene Resolution Enhancement-Technologie (siehe Webcode 1094) zur Steigerung der IR-Auflösung trägt ebenfalls dazu bei, dass Wärmebilder immer mehr der Bildqualität von Fotos ­nahekommen.

Weitere wichtige Kamerakomponenten

Neben dem Detektor sind auch andere Kamerakomponenten für die Bildqualität verantwortlich, allen voran die Infrarotoptik. Zu den Quali­täts­kri­te­rien von Objektiven gehören die Lichtstärke, die darüber entscheidet, wie viel Wärmestrahlung vom Objekt auf dem Detektor ankommt, das Auflösungsvermögen, die Abbildungstreue (geringe Vignettierung und Verzeichnung) sowie die Qualität der Beschichtung. IR-Profikameras für den Baubereich sollten möglichst mit einem für die Fassaden- und Raumthermografie geeigneten Weitwinkelobjektiv (z. B. 8 bis 15 mm) mit großem Sehfeld ausgeliefert werden, das optional durch Standard- (z. B. 30 bis 50 mm) und Teleobjektive (z. B. 60 bis 130 mm) erweiterbar sein sollte. Eine automatische Objek­tiv­erken­nung macht den Objektivwechsel komfortabler, aber nicht alle Kameras haben sie. Auch Kameras mit IR-Zoomobjektiv gibt es schon, beispielsweise von Avio/NEC. Aus technischen Gründen sind allerdings nur feste Zoomschritte möglich. Wie schnell und präzise der ergänzend zum manuellen Fokus zuschaltbare Autofokus anspricht, hängt von der eingebauten Optomechanik und Steuer­elek­tro­nik ab. Elektronik und Software entscheiden auch darüber, wie schnell nach dem Einschalten die Kamera hochgefahren und einsatzbereit ist.

In der Profiklasse überwiegt eindeutig die Camcorder-Bauform (Abb. 1), wobei es auch neue Design­kon­zepte gibt, wie etwa von FLIR Systems: eine Mischung aus Digitalkamera mit großem Touchscreen und seitlich angeordnetem, drehbarem Objektiv. Wichtiger als das Gehäusedesign ist jedoch, dass die Kamera ausgewogen, bequem und mithilfe einer individuell einstellbaren Handschlaufe sicher in der Hand liegt. Aufgrund der schweren Optik neigen eini­ge Kameras zur Kopflastigkeit, was sich bei längerer Benutzung im Handgelenk negativ bemerkbar macht.

Ebenso unterschiedlich wie die Bauform ist die Qualität des Kameragehäuses. Während die Gehäuse von Allround-Kameras aus dem mittleren Preisbereich meist aus kratz- und schlagfestem ABS-Kunststoff bestehen, werden Profikamera-Gehäuse in der Regel aus Leichtmetall (Aluminium oder Magnesium) hergestellt. Viele Gehäuse sind teilgummiert und damit besonders griffig. Für den rauen Outdoor-Einsatz sind heute alle Kameras gemäß Schutzart IP54 geschützt, vereinzelt auch gegen Stürze aus geringer Höhe gewappnet. Der Staub- und Spritzwasserschutz bleibt jedoch nur mit geschlossenen Geräteklappen bzw. hochwertigen, aufgeschraubten Steckeranschlüssen erhalten. Über Letztere verfügen nur wenige Modelle. Das möglichst große und helle Farb-TFT-Display mit möglichst hoher Bildauflösung sollte sich ausklappen und um zwei Achsen in nahezu beliebige Richtungen drehen lassen (Abb. 4). Dadurch sind Aufnahmen auch in beengten Situationen, z. B. in möblierten Räumen, aus praktisch jeder Position heraus möglich: Überkopf, Übereck oder aus der Froschperspektive. Bei starker Sonneneinstrahlung – etwa bei der Untersuchung von PV-Anlagen oder anderen Anwendungen im Sommer – sollte zusätzlich ein Sucher möglichst mit Neigungs- und Dioptrieneinstellung vorhanden sein (siehe auch: http://www.thermografie.de, ­Rubrik „Sommerliche Anwendungen“).

Bedient werden die Kamerafunktionen in der Regel über einen Mini-Joystick und mehrere, teil­weise programmierbare Tasten. Eine zusätzliche Touchscreen-Bedienung ist hilfreich – mit Hand­schuhen bei winterlicher Kälte nutzt sie aber wenig. Stichwort Kälte: Kälteempfindlich ist neben dem Display auch der Akku. Im Allgemeinen vertragen IR-Kameras aber Arbeitstemperaturbereiche zwischen –25 und +50 °C klaglos. Wichtig ist, dass häufig benötigte manuelle Einstellungsfunktionen wie Messbereich, Emissionsgrad, reflektierte Temperatur, Temperaturskala und -spreizung ohne umständliche Suche direkt aufrufbar sind.

Ein Schwachpunkt bei nahezu allen Modellen ist die integrierte Digitalkamera. Mit in der Regel 1,3 bis 3 Megapixel Bildauflösung sowie einer mehr oder weniger hellen LED-Videoleuchte, macht sie eher verschwommene als kontrastreiche visuelle Bilder, auf denen für die Bildauswertung wichtige Details kaum erkennbar sind. Deshalb nehmen Thermografie-Profis lieber eine gute Digitalkamera mit Zoom­funk­tion mit.Auch bei der Kamera-Kalibrierung gibt es Unter­schiede. Sie erfordert viel Zeit, einen hohen technischen und personellen Aufwand und ist entsprechend teuer. Eine gute Kalibrierung zeichnet sich durch eine Drei-Kennlinien-Kalibrierung mit einer Haupt- und zwei Nebenkennlinien zur Kom­pen­sa­tion von Umgebungstemperaturschwankungen sowie durch ein aussagekräftiges Kalibrierungszertifikat aus.

Welche Zusatzausstattung ist sinnvoll?

Über die Standardfunktionen hinaus packen viele Anbieter gleich mehrere, mehr oder weniger nützliche Funktionen in die Kamera hinein. Ein Laserpointer, der am Objekt den aktuellen Messpunkt anzeigt, gehört zum Standard. Es gibt aber auch Kameras, die den Laserstrahl zusätzlich für die Messung des aktuel­len Objektabstands zur Ermittlung der kleinstmöglichen Messfleckgröße (s.u.) nutzen. Auch ein Headset für Sprachnotizen ist teilweise im Kamera-Lieferumfang ­enthalten.

Einfacher als die manuelle Eingabe von Messwerten ist die Verwendung von Funk-Messgeräten, beispielsweise eines Funk-Feuchtefühlers (Abb. 5). Er liefert der Kamera aktuelle Messdaten, sodass sie nicht ständig neu gemessen und eingegeben werden müssen. Zum Einsatz kommen dabei Funkübertragungsstandards wie z. B. Bluetooth. Auch WLAN wird schon integriert – etwa um Wärmebilder kabellos auf Smartphones oder Tablet-PCs zu übertragen oder die Kamera fernzusteuern. Eine weitere, insbesondere für die Instandhaltung interessante Funktion bietet die Mess­ort­erken­nung bzw. ein integriertes GPS-Modul. Die geografische Verortung der Wärmebilder ist nützlich, wenn beispielsweise in einem Stadtgebiet viele Messobjekte an unterschiedlichen Stellen in regelmäßigen Zeitabständen thermografisch erfasst ­werden müssen.

Neben diesen Zusatzfunktionen und -ausstattungen halten die Anbieter ein ganzes Arsenal an optio­na­lem Zubehör insbesondere für High-End-Kameras vor. Dazu gehören unter anderem Wechseloptiken, Filter, Stative, Kamera-Schutz­ge­häuse und diverses Datentransfer-Zubehör. Zum Kamera-Lieferumfang sollten ein Netzteil, eine Ladestation, ein Netz- und USB-Kabel, ein stabiler Transportkoffer, eine Auswertungs-Software sowie gegebenenfalls weiteres Zubehör gehören. Auch softwareseitig wird über den Standard ­hinaus so manche Zusatzfunktion angeboten (siehe Webcode).

Profikameras im Vergleich

Berücksichtigt wurden in der tabellarischen Übersicht Kameras mit einer Detektorauflösung von 320 x 240 bis 1024 x 768 IR-Pixel. In diesem mittleren und im oberen Preissegment ist die Kamera-Modellvielfalt inzwischen recht groß. Teilweise haben die Anbieter mehrere Modelle für Fortgeschrittene und Profis im Programm. Aus Platzgründen konnte jeder Anbieter maximal zwei Geräte seiner Wahl vorstellen – sofern vorhanden möglichst ein Standard- und ein High-End-Modell. Stichwort Anbieter: Beim Kameravergleich sollte man auch ihn berücksichtigen. Ist er „nur“ Anbieter oder zugleich der Hersteller? ­Kalibriert er die Kamera auch? Ist er auf die IR-Thermografie spezialisiert? Zählen auch Gebäude-Energieberater zu seinen Kunden? Nach dem Kauf sollte ein umfang­reiches Servicepaket dafür sorgen, dass der Kunde umfassend und individuell betreut wird. Dazu gehören beispielsweise ein kostenfreier Support inklusive 24h-Service-Hotline, ein kostenfreier Software-Updateservice sowie ein vielfältiges Schulungsangebot, das sowohl Einstiegskurse als auch anwendungsbezogene Schulungen oder Zertifizierungen umfasst.

Entscheidend für die Kamera sind die Bild- und Messdaten: Neben der Detektorauflösung bestimmt die thermische Empfindlichkeit und die geometrische Auflösung (IFOV) die Qualität des Thermogramms. Der IFOV-Wert ist abhängig vom aktuell eingesetzten Objektiv und definiert die kleinst­mög­liche Messfleckgröße. Das ist jene Fläche auf dem Messobjekt, die aus einem Meter Entfernung einer einzelnen Detektorzelle in einem Wärmebild zugeordnet werden kann. Multipliziert man den IFOV-Wert [mrad] mit der Objektentfernung [m] und einem Korrekturwert für die verwendete Optik, erhält man in Millimetern die Messfleckgröße. Sie entscheidet insbesondere bei kleinen Objektstrukturen bzw. bei großen Entfernungen, etwa bei Schaltschränken oder Leiterplatinen bzw. PV-Solarzellen oder Starkstromanlagen darüber, wie genau gemessen werden kann (Abb. 3). Das Seh- oder Bildfeld gibt in vertikaler und horizontaler Richtung den Erfassungsbereich der jeweiligen Optik an. Die Bildfrequenz ­sollte etwa um die 50 Hz (und höher) liegen. Sie ist für die zeitliche Betrachtung thermischer Vorgänge wichtig, spielt aber im Baubereich, ebenso wie eine vollradiometrische Video­mes­sung, so gut wie keine Rolle.

Wichtige Parameter bei der Messung sind, neben dem Spektralbereich (Standard: 7,5 bis 14 µm), der erfasste Temperaturbereich, der im Baubereich zwischen - 20 °C und + 100 °C liegen sollte, sowie vor allem die thermische Empfindlichkeit (NETD-Wert). Sie gibt die kleinste Temperaturdifferenz an, die vom Detektor erfasst werden kann und liegt bei Profigeräten zwischen 0,03 und 0,05 Kelvin bei 30 °C.

Damit auch umfangreichere Objekte ohne Akku­wechsel erfasst werden können, sollten die ­Akkulaufzeiten zwischen drei und fünf Stunden liegen. ­Anbieterangaben sind jedoch mit Vorsicht zu ­genießen, denn sie basieren häufig auf einem praxisfremden Nutzungsprofil. Deshalb sollte eine Ladestands­anzeige vorhanden und ein geladener Ersatzakku immer in der Nähe sein. Die austauschbaren Lithium-Ionen-Akkus sollten möglichst kurze Ladezeiten aufweisen.

Fazit: Auch die Profi-Liga wird erschwinglicher

Alle Jahre wieder purzeln pünktlich zum Thermografie-Saisonbeginn die Preise – nicht nur im unteren, sondern auch im mittleren und oberen Kamerasegment. Lag der Einstiegspreis von Mittelklasse- und Profikameras vor einigen Jahren noch bei rund 15000 bzw. 40000 Euro, sind Kameras mit 384 x 288-Detektor heute schon ab 4500 Euro (ebs ATuS, PCE Deutschland) und 640 x 480-Kameras ab 10000 bzw. 12000 Euro (ebs ATuS, Testo) zu haben. Dass von den Herstellern dabei Abstriche gemacht werden müssen, ist naheliegend. Bemerkbar macht sich das, je nach Kamera, an unterschiedlichen Stellen: am Kunststoff- statt Leichtmetallgehäuse, am nicht vorhandenen Sucher, einfacheren Optiken, Kabelanschlüssen, Kalibrierungsverfahren, einer kleineren Wechselobjektiv- und Zubehörauswahl usw. Thermografie-Experten werden an ihrem wichtigsten Arbeitswerkzeug diese Abstriche kaum hinnehmen und den Mehrpreis für mehr Qualität und eine bessere Ausstattung akzeptieren. Wer die Infrarot-Kamera dagegen nur hin und wieder einsetzt, wird sich umgekehrt über mehr Bildschärfe für weniger Geld freuen.

Marian Behaneck

Info

Ergänzende Informationen unter https://www.geb-info.de/

Unter dem Webcode 1094 können sie nachlesen, was es mit dem Resolution Enhancement auf sich hat. Außer­dem finden Sie dort Informationen zu Bedienfunktionen von Wärmebildkameras sowie Literaturhinweise, Quellenangaben und Links auf weitere Webseiten zum Thema.