Das Nahwärmenetz in Murg-Niederhof ist schon das zweite dieser Art in der 7000 Einwohner zählenden Gemeinde Murg an der Schweizer Grenze. Die Idee von Ortsbaumeister Wolfgang Vögtle, der die Konzepte realisieren ließ: Immer wenn die Heizzentrale eines großen gemeindeeigenen Gebäudes modernisierungsbedürftig ist – wie zuletzt bei den Schulen in Murg und im Ortsteil Niederhof – werden benachbarte Hausbesitzer aufgefordert, sich zu beteiligen. Weil eine große Heizzentrale sich im Verhältnis preiswerter bauen und betreiben lässt als eine kleinere, die für die Schule alleine genügt hätte, entsteht durch das Contracting-Modell für die Gemeinde ein finanzieller Vorteil. Das Nahwärmenetz in Murg-Niederhof hat 34 Übergabestationen. Verbraucher sind neben einer Schule und der Sporthalle 30 private Wohnhäuser, ein Kirchengemeindehaus und ein Kindergarten.
Der Hackschnitzel-Heizkessel Pyrotec von KÖB/Viessmann deckt mit 390 kW die Grundlast ab. Wenn er gewartet wird oder nicht genug Leistung bringt, kommt der neue Spitzenlastkessel zum Einsatz. Mit 500 kW kann der Gas-Brennwertkessel Vitocrossal 200 von Viessmann das Wärmenetz notfalls alleine versorgen.
Der Hackschnitzelbunker wurde als Ortbetonbehälter in den Außenanlagen eingebaut. Über ein Fördersystem wird das Brennmaterial vom Boden des Lagers durch die Außenwand der Heizzentrale bis zum Brenner transportiert. Das im Vergleich zu Holzpellets dreimal größere Speichervolumen war in Murg-Niederhof kein Problem. In Verbindung mit den ohnehin erforderlichen Tiefbauarbeiten für rund 2 km Nahwärmenetz waren die Mehrkosten relativ günstig. Für die Heizzentrale wurden ca. 480 000 Euro investiert, das Investitionsvolumen für das Nahwärmenetz und die Übergabestationen lag bei 560 000 Euro.
Hackschnitzel aus der Nachbarschaft
Die Gemeinde Murg entschied sich aus ökologischen und ökonomischen Gründen, im Grundlastbetrieb auf Holzhackschnitzel umzustellen. Sie bezieht den nachwachsenden Brennstoff von einem einheimischen Landwirt, der in ca. 500 m Entfernung von der Heizzentrale seinen Betrieb hat. Er kippt die Hackschnitzel als Schüttgut mit etwa 200 kg/m³ direkt in den Speicher. Unter der Abdeckung, die sich über die gesamte Länge und Breite des Behälters erstreckt, ist in der rechteckigen Öffnung ein Rüttelsieb eingebaut. Während des Befüllens wird es elektrisch in Bewegung versetzt, um Hohlräume und Schüttkegel weitgehend zu vermeiden. Ziel ist nicht nur, das Volumen des Behälters optimal auszunutzen, sondern auch die störungsfreie Entnahme am Speicherboden zu ermöglichen. Der Inhalt des Hackschnitzellagers von 150 m3 entspricht 30 t Füllgewicht bzw. 12 000 l Heizöläquivalent. Die üblichen, oben offenen Transportcontainer fassen 40 m3 bzw. 8 t. Der Lieferant kann also nachfüllen, sobald ein Drittel des Vorrats aufgebraucht ist. Er übernimmt auch das Abholen der Asche, die er auf seinen Äckern als Dünger ausbringen kann.
Bezahlt wird von der Gemeinde Murg die von den Hackschnitzeln erzeugte Wärme, nicht die Menge oder das Gewicht der Ware. Damit lohnt sich die Lieferung trockenen, hochwertigen Brennstoffs.
Wirtschaftlich durch Pufferspeicher
Wie der unterirdische Hackschnitzelbehälter ist auch der Pufferspeicher ThermoSol von Mall in unmittelbarer Nähe zur Heizzentrale des Nahwärmenetzes eingebaut. Er speichert die vom Hackschnitzel-Heizkessel stammende Wärme, bis sie für Heizung und Warmwasserbereitung gebraucht wird.
Möglichst kurze, wärmegedämmte Rohrleitungen, mit denen der Pufferspeicher in das Heizungssystem eingebunden ist, sind eine der Voraussetzungen für den effizienten Betrieb großer Heizanlagen. Im Innenraum hätte sich das Puffervolumen von 13 400 l über eine Kaskade hintereinander geschalteter Behälter erreichen lassen. Bei der gewählten Lösung konnte der Fertigteilbehälter aus Beton auf einem Tieflader zur Baustelle gebracht und dort in weniger als einer Stunde in die Erde versetzt werden.
Der Pufferspeicher ist doppelwandig aufgebaut. „Das Wasser befindet sich in einem Stahlbehälter. Zwischen diesem und der äußeren robusten Hülle aus fugenlosem Stahlbeton sorgt Glas-Granulat-Dämmstoff für eine lange Nutzungsdauer“, erklärt Clemens Hüttinger von Mall in Donaueschingen.
Der Holzkessel wird über eine Pufferregelung angesteuert. Er belädt immer den Speicher. „Das Netz zieht sich die Wärme aus dem Puffer“, erklärt der für die haustechnische Planung und Dimensionierung zuständige Fachingenieur Torben Steenhoff. „Ist die zur Verfügung stehende Wärme im Pufferspeicher aufgebraucht bzw. sinkt die Vorlauftemperatur im Netz unter den Sollwert, fährt die Verbrennung der Hackschnitzel auf Volllast hoch. Reicht dies aufgrund hohen Wärmebedarfs nach einer einstellbaren Zeitverzögerung nicht aus, heizt der zusätzlich installierte Gaskessel über die hydraulische Weiche direkt in das Fernwärmenetz nach“. Fällt der Holzheizkessel aus, geht der Gaskessel in Betrieb und versorgt unter Umgehung des Pufferspeichers das Netz direkt.
Auswertung der ersten Heizperioden
Nach dem ersten Winter stellte Steenhoff anhand seiner Aufzeichnungen fest: „Erst durch die ausgleichende Wirkung des Pufferspeichers konnte der Hackschnitzel-Heizkessel preiswert, Material schonend und gleichmäßig mit langen Laufzeiten im Grundlastbetrieb heizen. Der Pufferspeicher hat in dieser Saison alle Leistungsspitzen, vor allem des Winterbetriebs, abgefangen“.
Mit einer Energieeinsparung war der Umstieg allerdings nicht verbunden. Steenhoff ist dennoch zufrieden: „An den angeschlossenen Gebäuden wurden keine energetischen Veränderungen vorgenommen. Nach Auswertung der ersten Heizperiode zeigt sich trotz der unvermeidlichen Netzverluste ein nahezu unveränderter Gesamt-Energiebedarf der Gebäude.“ Der Ingenieur verweist auf den hohen Anteil der Heizwärme, der 2015 mit Hackschnitzeln gedeckt werden konnte: Bei einem Gesamtbedarf der angeschlossenen Gebäude von ca. 1 350 000 kWh lag der Anteil des Gas-Heizkessels bei ca. 60 000 kWh. „Fast die gesamte Last konnte unter anderem durch die ausgleichende Wirkung des großen Pufferspeichers vom Hackschnitzelkessel geleistet werden“, erklärt Steenhoff. „Gegenüber den ursprünglich vorhandenen Gas- und Ölkesseln in den Gebäuden ergibt sich eine deutliche CO2-Einsparung von ca. 290 t pro Jahr.“