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Beratung auf die Branche zuschneiden

Über ein Drittel des Energieverbrauchs in Nichtwohngebäuden im Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen geht auf das Konto von Handels- und Hotelimmobilien. Der Anteil der Energiekosten am Umsatz entscheidet mit darüber, wie wettbewerbsfähig ein Unternehmen ist. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit in beiden Branchen zu. Daher untersucht die Deutsche Energie-Agentur (dena) gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und weiteren Partnern im Rahmen zweier Modellvorhaben, mit welchen Herausforderungen diese Branchen konfrontiert sind und entwickelt Lösungsansätze. In beiden Pilotprojekten bildet die branchenspezifische Energieberatung einen Schwerpunkt.

Energieeffizient Handeln

Im Handel geben die traditionell eher geringen Margen den Rahmen für Beratungsdienstleistungen vor. Einerseits müssen sich Maßnahmen aufgrund dieser Randbedingungen schnell rechnen, andererseits ist der Beratungsbedarf angesichts immer komplexer werdender Handelsimmobilien hoch. Zugleich steht die Branche bei der Verbesserung der Energieeffizienz vor großen Herausforderungen: Sei es die Umsetzung von Effizienzmaßnahmen als Mieter, die vor allem im großflächigen Handel eine Rolle spielt, die Konzentration auf den Stromverbrauch, die im Food-Segment von besonderer Bedeutung ist oder das fehlende Fachwissen und knappe Ressourcen für die systematische Senkung des Energieverbrauchs, die die Haupthemmnisse für kleinere Händler sind.

Vor diesem Hintergrund hat die dena im Jahr 2017 das Modellvorhaben Energieeffizient Handeln gestartet. Gemeinsam mit dem BMWi und Partnern aus Verbänden 1) und Wirtschaft 2) schafft sie vorbildliche Effizienzprojekte im Handel, macht sie sichtbar und entwickelt wirtschaftliche Lösungen.

Zu den insgesamt rund 25 Handelsunternehmen, die daran teilnehmen, gehören

  • Verkaufsstellen großer Einzelhandelsketten wie Edeka, Aldi Süd, Netto Marken-Discount, Globus und Toom
  • kleinere Fachgeschäfte aus den Bereichen Mode, Sportbedarf sowie Sanitär, Heizung, Klima
  • bürgerschaftlich organisierte Dorfläden
  • Vermieter und Verwalter von Gewerbeimmobilien

Im Mittelpunkt des Modellvorhabens, das auf zwei Jahre angelegt ist, steht die Planung der Sanierung. In der Regel streben die Teilnehmer eine Endenergieeinsparung von 30 bis 40 % an – je nach Effizienzstandard des Gebäudes vor der Sanierung. Zurzeit beginnen sie auf Basis des geforderten Sanierungsfahrplans mit der Ausführungsplanung. Die Maßnahmen können, müssen aber nicht während der Laufzeit des Projekts umgesetzt werden.

Check-in Energieeffizienz

Bereits seit 2015 läuft das dena-Modellvorhaben Check-in Energieeffizienz, ebenfalls gefördert vom BMWi. 30 Hotels und Herbergen nehmen mit dem Ziel teil, ihre Energiebilanz zu optimieren. Den Energieverbrauch zu verringern gehört für viele zum Engagement für einen nachhaltigeren Betrieb. Der Teilnehmerkreis spiegelt die deutschlandweite Verteilung von der Herberge bis zum Fünf-Sterne-Hotel wider.

Meilensteine für die Unternehmen sind eine umfassende Energieberatung, das Klären von Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten, die Umsetzung von Effizienzmaßnahmen sowie das Monitoring der Energieverbräuche. Die dena begleitet und unterstützt mit Informationen und individueller fachlicher Beratung. Sie prüft beispielsweise die Energieberatungsberichte und Sanierungsfahrpläne auf Vollständigkeit und Plausibilität. Treten dabei Lücken zutage, stellt sie Nachforderungen. Regelmäßige Netzwerktreffen bieten Raum für den Austausch unter Hoteliers und Energieberatern. Zudem berät die dena zur Kommunikation mit Mitarbeitern und Gästen rund um den bewussten Umgang mit Ressourcen. Das Projekt, das noch bis Ende 2018 läuft, will gute Beispiele dafür schaffen, wie eine energieeffiziente Sanierung gelingen und wirtschaftlich tragfähig gestaltet werden kann.

Branchenspezifische Anforderungen berücksichtigen

Die Zwischenbilanzen der beiden Modellvorhaben machen deutlich: Sowohl Hotels als auch Handelsimmobilien brauchen eine spezielle Beratung, die die Besonderheiten des jeweiligen Gewerbes und die Vielfalt der Gebäudenutzung berücksichtigt. Zwei Ansätze verdeutlichen einerseits, welche Möglichkeiten die fundierte Energieberatung eröffnet und zeigen andererseits, welche branchenspezifischen Anforderungen zu berücksichtigen sind:

Technik und Gebäudehülle gemeinsam betrachten

So gilt in der Hotellerie der Grundsatz, dass Technik und Gebäudehülle gemeinsam betrachtet werden müssen. Nur so kann ein Sanierungsfahrplan entstehen, der langfristig den energetisch optimierten und CO2-reduzierten Betrieb der Immobilie gewährleistet. Im Beratungsalltag wird jedoch häufig nur einer der beiden Bereiche umfassend und nutzungsspezifisch betrachtet.

Oliver Huber, Geschäftsführer von theneo begleitet als Energieberater das Hotel „Ströbinger Hof“ aus dem Modellvorhaben. Dort arbeitet sein Büro mit dem Architekten Wolfgang Sojer zusammen, der die Bewertung der Gebäudehülle übernommen hat. Aus Sicht von Huber bringt das Arbeiten im Netzwerk viele Vorteile und wertvolle Synergien: „Der Architekt als Partner hat unsere eigene Expertise zu Lüftung, Kälteerzeugung und Energiecontrolling perfekt ergänzt.“ Wichtig sei dabei auch, die Beratung zu einem gemeinsamen Projekt zu machen. Dann seien die Chancen groß, dass Maßnahmen umgesetzt werden und die Kunden zufrieden sind. Berater sollten sich also ein Netzwerk aufbauen – sei es über Kontakte aus bestehenden Netzwerkangeboten, wie sie durch regionale oder lokale Energieagenturen auf die Beine gestellt wurden oder über persönliche Kontakte.

Ein entscheidender Punkt ist zudem die Wirtschaftlichkeit. Wer dem Kunden aufzeigen kann, wie schnell sich eine Maßnahme rechnet, hat nach Erfahrungen von Oliver Huber gute Aussichten, dass weitere Maßnahmen umgesetzt werden. Der Berater muss die Förderlandschaft gut kennen, denn erstens wüssten die meisten Kunden in der Hotellerie wenig über die Förderangebote und zweitens sei ihre Bereitschaft gering, selbst Förderanträge zu stellen. Der Aufwand für den Berater ist laut Huber erheblich, denn jedes Förderprogramm müsse verinnerlicht werden und der Antragsprozess mindestens einmal durchlaufen sein. Er plädiert daher für eine deutliche Vereinfachung der Förderlandschaft nach dem Beispiel Österreichs.

Finanzielle Möglichkeiten ausloten

In Handelsimmobilien konzentrieren sich die Beratungserfordernisse meist auf die Anlagentechnik, da ein Großteil der Energie für Kühlung, Beleuchtung und Klimatisierung benötigt wird. Hinzu kommt: Der Handel erwartet konkrete Lösungen für aktuell anstehende Herausforderungen. Das Interesse an schlüssigen Gesamtkonzepten für die nächsten 20 Jahre ist weitaus weniger ausgeprägt. Entsprechend fokussiert muss die Beratung in Analyse und Darstellung sein. Marcel Riethmüller, Geschäftsführer von ecogreen Energie und sein Team haben umfangreiche Erfahrungen in der Energieberatung des Handels. Seine Beobachtung: „Die überwiegende Zahl der Händler haben eine klare Vorstellung, was sie angehen wollen. Dabei sind die vorhandenen Fördermittel ein grundlegender Hebel für die Investitionsentscheidung.“

Im dena-Modellvorhaben betreut er den Dorfladen im niedersächsischen Otersen und ist beeindruckt, wie aktiv im Dorfladen das Thema energetische Optimierung angegangen wird, einschließlich der entsprechenden Bereitstellung von Unterlagen. Damit seien sie eher die Ausnahme. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Kenntnisse über das Gebäude oft unvollständig sind. In den meisten Fällen lägen nur die Strom- und Wärmeverbräuche vor. Umso bedeutender seien Messungen im Gebäude sowie Aufnahme und Bewertung der Anlagen. „Wir sprechen auch mit den Leuten vor Ort, um den Faktor Nutzerverhalten von Anfang an mit einkalkulieren zu können“ sagt der Experte. Weil auch im Handel alle Effizienzentscheidungen durch das Nadelöhr der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung müssen, sei es zudem von Bedeutung, den Kunden über die aktuellen Förderangebote zu informieren. Neben dem persönlichen, erläuternden Beratungsgespräch ist die Begleitung des Händlers bei der Finanzierung und Umsetzung wichtig. Marcel Riethmüller ist überzeugt davon, dass er damit einen Weg für eine gute Beratungsleistung gefunden hat, die der Handel entsprechend honoriert.

Ulrich Rochard vom Planungs- und Beratungsbüro ebök hat während seiner Ingenieurstätigkeit in Frankreich ähnliche Erfahrungen gemacht. Das zeigt sich u. a. an den beiden Faktoren, die aus seiner Sicht entscheidend für eine hohe Umsetzungswahrscheinlichkeit sind: Erstens die umfassende Beratung des Eigentümers, die den tatsächlichen baulichen Zustand mit der energetischen Bewertung koppelt. Und zweitens eine Finanzplanung, die sich über mehrere Jahre erstreckt, damit der Kunde die im Beratungsprozess identifizierten Maßnahmen und Potenziale auch finanziell stemmen kann. „Denn unabhängig davon, ob es um ein Wohn- oder Nichtwohngebäude geht, muss der Eigentümer wissen, welche Belastungen auf ihn zukommen“, betont Rochard. Auf Basis eines angepassten regulatorischen Rahmens konnte mithilfe dieses Ansatzes die Umsetzungsquote von Sanierungsfahrplänen in Wohnungseigentümergemeinschaften in Frankreich von rund 10 auf über 60 % gesteigert werden.

Fazit

Die Energieberatungsleistung ist sowohl in der Hotellerie als auch im Handel anspruchsvoll. Nicht nur Technik und Hülle müssen umfassend betrachtet werden, auch detaillierte Kenntnisse und Lösungsvorschläge für die Finanzierung unter Beachtung der Förderangebote werden erwartet. Diesen Anforderungen stehen große Potenziale für Berater gegenüber. Denn der Beratungsbedarf im Bereich der Nichtwohngebäude ist hoch, zugleich nimmt angesichts der internationalen Klimaschutzvereinbarungen der politische Druck auf beide Branchen zu. Wer sich hier als Effizienz-Experte positionieren kann, hat gute Chancen, sich einen neuen Markt zu erschließen.

Fußnoten

1) Zentraler Immobilienausschuss, Handelsverband Deutschland, EHI Retail Institute

2) Hörburger, Multicross, Krumedia, Vattenfall Europe Wärme, Hottgenroth

Christian Müller

ist diplomierter Historiker und seit 2007 bei der dena tätig. Seit 2017 leitet er als Projektleiter die Themengebiete Nichtwohngebäude sowie Digitalisierung in Gebäuden.

www.effizienzgebaeude.dena.de