Fast die Hälfte der über 40 Mio. Wohnungen in Deutschland befindet sich in Mehrfamilienhäusern. Aber wie genau sieht das typische Mehrfamilienhaus hierzulande aus und wie ist seine Energiebilanz beschaffen? Statistiker der TU Dortmund und der Energiedienstleister ista haben diese Fragen anhand der Daten von bundesweit über 74 000 Gebäuden untersucht. Das Ergebnis ist ein Steckbrief des typischen Mehrfamilienhauses auf Bundes- und Landesebene:
Im Bundesdurchschnitt ist das typische Mehrfamilienhaus im Jahr 1978 gebaut worden und damit 42 Jahre alt. Das Gebäude verfügt insgesamt über 521 m2 Heizfläche. Es hat sieben Nutzeinheiten bzw. Wohnungen, die im Durchschnitt ca. 65 m2 groß sind.
Geheizt wird das typische bundesdeutsche Mehrfamilienhaus mit Erdgas, die Heizungsanlage wurde 1997 eingebaut und ist damit 23 Jahre alt. Das Gebäude ist nicht zwingend saniert: Am häufigsten wurde die Heizanlage erneuert (48 %), gefolgt vom Dach, den Fenstern und der obersten Geschossdecke (jeweils 43 %).
Der Energiekennwert des Gebäudes liegt bei 118 kWh/(m2 ∙ a), was der mittleren Kategorie D auf dem Energieausweis entspricht. Im typischen Mehrfamilienhaus ist somit durchaus weiteres Energieeinsparpotential vorhanden.
Potenzial beim Energiesparen
Neben der Gebäudesanierung und der Modernisierung der Heizanlage ist das Heizverhalten ein wichtiger Hebel für mehr Energieeffizienz. Thomas Zinnöcker, CEO von ista: „Das Nutzerverhalten kann bei der Energieeffizienz im Mehrfamilienhaus den Unterschied machen. Durch ein optimiertes Heizverhalten können die Bewohner nicht nur Kosten sparen, sondern auch gemeinsam die Energiebilanz des Gebäudes verbessern. Dazu muss die Digitalisierung im Gebäude gestärkt werden.“
Allein durch eine häufigere und zeitnahe Verbrauchsinformation für die Bewohner – wie es die neue europäische Energieeffizienz-Richtlinie (EED) fordert – ließen sich 10 % der Heizenergie im Gebäude einsparen. Für die sieben Parteien im typischen bundesdeutschen Mehrfamilienhaus würden dadurch die Heizkosten in Summe von durchschnittlich 3524 auf 3172 Euro/a gesenkt werden können. Die technische Voraussetzung dafür ist, dass die Wärmeverbräuche im Gebäude digital erfasst werden. Im typischen Mehrfamilienhaus in Deutschland ist dies bereits heute der Fall.
Osten bei Sanierung und Energieeffizienz vorn
Die vorwiegende Heizenergieart im typischen Mehrfamilienhaus ist mit Erdgas über alle 16 Bundesländer hinweg gleich.
Bei den Sanierungen liegt das typische Mehrfamilienhaus in Brandenburg im Ländervergleich klar vorn (Dach 66 %, oberste Geschossdecke 67 %, Außenwand 61 %, Fenster 71 %, Kellerdecke 49 %).
Die einzige Ausnahme bildet die Sanierung der Heizungsanlage, hier nimmt das Haus in Schleswig-Holstein mit 58 % den Spitzenplatz ein. Eine Heizanlage gilt allerdings als saniert, falls diese nicht 20 Jahre oder älter ist.
Den mit Abstand geringsten Energiekennwert in kWh/(m2 ∙ a) haben die Mehrfamilienhäuser in Mecklenburg-Vorpommern (96), Sachsen (101) und Thüringen (101). Die höchsten Energiekennwerte weisen die Gebäude in Berlin (128) und Hamburg (128) sowie Bremen (126) und Schleswig-Holstein (126) auf.
Professor Walter Krämer von der TU Dortmund: „Das typische Mehrfamilienhaus kann in Sachen Energieeffizienz eine Renovierung vertragen. In Westdeutschland noch etwas mehr als im Osten. Das zeigen die Ergebnisse unserer Studie mit Blick auf den Energiekennwert und den Sanierungsgrad der Gebäude in den einzelnen Bundesländern.“
Die Berechnung der Sanierungsquoten basiert auf 25 154 Mehrfamilienhäusern mit Energieausweis aus dem Jahr 2018. Dabei gelten das Dach, die oberste Geschossdecke, die Außenwand, die Fenster und die Kellerdecke als saniert, falls diese der Wärmeschutzverordnung 1995 entsprechen. GLR