Über die Jahre hinweg haben sich Heizungsfachleute daran gewöhnt, dass Brennwertgeräte einen Wirkungsgrad von mehr als 100 % erreichen. Doch damit räumt die Öko-Design-Richtlinie für energieverbrauchende und energieverbrauchsrelevante Produkte (Energy related Products – ErP) nun auf: Brennwertgeräte können künftig nur noch auf einen Wirkungsgrad von maximal 93 % 1 kommen. Systemlösungen und Wärmepumpen können aber auch nach dem 26. September 2015 noch die Grenze von 100 % überschreiten. Ausgehend vom überwiegend genutzten Heizgerät werden bei Systemlösungen zusätzliche Wirkungsgradverbesserungen durch abgestimmte Regelungstechnik und die Ergänzung von regenerativen Wärmeerzeuger-Technologien wie der Solartechnik dazu addiert. Auf diese Weise wertet die Richtlinie Heizsysteme mit aufeinander abgestimmten Komponenten auf.
Zahlenspiel bei der Brennwertnutzung wird abgeschafft
Dass Brennwertgeräte renommierter Hersteller durch die Bank einen Wirkungsgrad von mehr als 100 % haben, ist auf den in der Vergangenheit gewählten Bezugspunkt des Heizwerts für die Bestimmung von feuerungstechnischen Wirkungsgraden zurückzuführen. Mit Fortschreiten der effizienten Nutzung von fossilen Brennstoffen und der Etablierung der Brennwertnutzung in den 1990er-Jahren konnten sich energetische Nutzungsgrade von mehr als 100 % ergeben. Über die Jahre hinweg hat es die Heizungsbranche geschafft, das unlogisch erscheinende Zahlenspiel als Markenzeichen für die Brennwertnutzung zu etablieren und damit die Leistungsfähigkeit der Geräte unter Beweis zu stellen.
Dieses Markenzeichen wird mit der Einführung der Öko-Design-Richtlinie und des damit verbundenen Energieeffizienzlabels in der Europäischen Union abgeschafft. Wärmeerzeuger und Speicher müssen dann bestimmte Mindestanforderungen in puncto Energieeffizienz und Produkt- und Systemkennzeichnung erfüllen. Weil das Label in erster Linie Verbrauchern zur schnellen Orientierung dienen soll, benötigen nur Wärmeerzeuger bis 70 kW Leistung ein Energieeffizienzlabel, genau wie Speicher bis 500 l Volumen.
Unterteilt werden die Wärmeerzeuger zunächst in Effizienzklassen von A++ (grün) bis G (rot). 2019 kommt noch die Klasse A+++ hinzu, dafür entfallen die Klassen E bis G. Beim Systemlabel ist schon ab 2015 die Klasse A+++ möglich (Abb. 1 und 2).
Für die in der ErP-Richtlinie geforderte Energieeffizienz-Kennzeichnung müssen die Angaben der technischen Werte standardisiert werden. Nur so lassen sich Geräte und Systeme vergleichen. Spricht die Fachwelt insbesondere bei Öl- und Gas-Heizkesseln heute noch von Normnutzungsgraden, geht es ab September 2015 hauptsächlich um die jahreszeitbedingte Raumheizungs- und Warmwasser-Energieeffizienz.
Bezugswert ist in Zukunft der Brennwert
Der wichtigste Unterschied zwischen dem Normnutzungsgrad und der jahreszeitbedingten Raumheizungs-Energieeffizienz s – auch Raumheizungs-(Jahres-)Nutzungsgrad genannt – besteht darin, dass einheitlich die jahreszeitbedingte Raumheizungs-Energieeffizienz auf den Brennwert bezogen wird. Dies ist beim Normnutzungsgrad nicht der Fall. In der Vergangenheit hatte es sich eingebürgert, dass Wirkungsgrade bezogen auf den Heizwert (unterer Heizwert Hu, international auch Hi) angegeben werden, und nicht auf den Brennwert (oberer Heizwert Ho, international auch Hs). Als Brennwert wird die gesamte Wärmemenge bezeichnet, die eine Einheit Brennstoff abgibt, wenn sie mit Sauerstoff vollständig verbrannt wird und die Verbrennungsprodukte auf Umgebungstemperatur abkühlen. Diese Wärmemenge umfasst auch die im Brennstoff enthaltene Kondensationswärme des gesamten Wasserdampfes ebenso wie die des Wasserdampfes, der bei der Verbrennung des im Brennstoff enthaltenen Wasserstoffs entsteht (Verordnung Nr. 813/2013 der EU-Kommission vom 2. August 2013).
Im Wesentlichen macht also die in der Brennwerttechnik genutzte Kondensationswärme den Unterschied zwischen Heizwert und Brennwert aus. Weil sich auch für Brennwertgeräte seit den 1990er-Jahren der untere Heizwert als Bezugswert etabliert hat, werden bei Gas-Brennwertgeräten in der Praxis Normnutzungsgrade bis 110 % und bei Öl-Brennwertgeräten bis 105 % erreicht. Die physikalisch mögliche Grenze liegt bei 111 bzw. 106 %. Grund für den Unterschied ist die chemische Zusammensetzung der Brennstoffe Öl und Gas.
Brennwertgeräte künftig unter 100 %
Die eigentlich physikalisch korrekten Werte für die Energieeffizienz der Geräte erhält man, wenn der Brennwert, also der obere Heizwert, als Bezugspunkt genommen wird. Hier sind Wirkungsgrade bis zu 98 % möglich, wobei die Normnutzungsgrad-Differenzen zwischen der Brennwertnutzung von Öl und Gas verschwinden. Alleine der Energieinhalt des Brennstoffs, der als Heizwärme genutzt wird, zählt für die Effizienz. Dadurch wird mit dem schwer zu erklärenden Phänomen der Überschreitung eines Nutzungsgrades von 100 % bei einem einzelnen Gas- oder Öl-Brennwertgerät aufgeräumt.
Die Neujustierung der Wirkungsgrade bei Heizgeräten hat in den Augen der EU einen weiteren Sinn: Nun kann der Spielraum oberhalb von 100 % anders genutzt werden. Zusätzliche Komponenten verbessern die Effizienz, der Ausbau zu einem Heizsystem mit verstärktem regenerativen Energieeinsatz oder der kombinierten Nutzung mehrerer Komponenten lohnt sich also. Mithilfe eines Additionsverfahrens erreicht das Heizsystem dann einen höheren Wirkungsgrad. So soll der Nutzen zusätzlicher Komponenten sichtbar werden.
Das folgende Beispiel zum Raumheizungs-Nutzungsgrad verdeutlicht dies: Das System besteht aus einem Brennwertgerät, einem witterungsgeführten Regler und einer thermischen Solaranlage. In dieser Kombination bringt der witterungsgeführte Regler eine Wirkungsgradverbesserung von 4 %. Die Unterstützung der Solaranlage für die Raumheizung ist aufgrund der jahreszeitlich unterschiedlichen Spitzen von Wärmebedarf und nutzbarer Solareinstrahlung begrenzt. Deshalb bringt die thermische Solaranlage nur eine Verbesserung von 5 % in das System ein. Die Addition dieser Komponenten verbessert die Energieeffizienz des Heizsystems jedoch auf eine jahreszeitbedingte Raumheizungs-Energieeffizienz s von 102 %. Durch eine intelligente Regelung und die Nutzung von Solarenergie wird bei dem System der Brennstoffverbrauch in der Praxis reduziert und damit die nächsthöhere Energieeffizienzklasse A+ für den Raumheizungs-Nutzungsgrad erreicht.
Welchen Vorteil eine thermische Solaranlage für die Warmwasserbereitung erbringen kann, sieht der Verbraucher in einem Kombi-Systemlabel auf einen Blick. Im zweiten Beispiel (Abb. 3 und 4) spielt die Solaranlage ihre Stärke aus: Hier wird das Gas-Brennwertgerät aufgrund der intelligenten Regelung beim Raumheizungs-Nutzungsgrad in die Effizienzklasse A+ eingestuft. Bei der Warmwasserbereitung kommt die Therme allein auf eine Energieeffizienz von 76 % und erzielt bei Zapfprofil XL die Effizienzklasse B. Die Solaranlage mit vier Kollektoren und einem 400-l-Solar-Warmwasserspeicher bewirkt eine Verbesserung um 102 %. So erreicht das System für die Warmwasserbereitung einen Nutzungsgrad von 178 % und damit eine deutliche Verbesserung der Einstufung in die Effizienzklasse A++.
Wärmepumpe: Heizgerät mit regenerativem Anteil
Andere Heizungslösungen mit einem höheren regenerativen Energieanteil starten bereits bei einem Wert über 100 %. Beispielsweise fördert die Wärmepumpe Wärmeenergie aus der Umwelt und bringt sie auf das gewünschte Temperaturniveau. Die insgesamt bereitgestellte Wärmeleistung ist dabei größer als die verbrauchte elektrische Energie, sodass für diesen Prozess Wirkungsgrade über 100 % erreicht werden.
Zusammenfassung
Die Öko-Design-Richtlinie der Europäischen Union verlangt ab 26. September 2015 die Produkt- und Systemkennzeichnung mit einem Energieeffizienzlabel. Für diese Kennzeichnung müssen die Effizienzwerte standardisiert werden. War bislang vom Normnutzungsgrad die Rede, wird der Wirkungsgrad nun anhand der jahreszeitbedingten Raumheizungs-Energieeffizienz berechnet. Neuer Bezugswert für den Wirkungsgrad von Heizgeräten ist damit der Brennwert, also der obere Heizwert. Deshalb kann ein einzelnes Gerät die Grenze von 100 % nicht mehr überschreiten. Dies gelingt nur noch mit einem Heizsystem aus mehreren sich ergänzenden Komponenten oder mit Wärmepumpen, die einen hohen regenerativen Energieanteil nutzen. Dieser Energieeffizienz-Ansatz unterstützt das Ziel der Heizungsbranche, höhere Energieeinsparungen durch den verstärkten Einsatz abgestimmter Heizsysteme zu erzielen.
Berechnung des Normnutzungsgrades
Der Normnutzungsgrad bezieht Brennwertkessel mit modulierender Leistungsregelung durch gestufte Teillastpunkte von 13, 30, 39, 48 und 63 % der Nennleistung mit ein (Abb. 5). Die Berechnung erfolgt nach DIN 4702, Teil 8. Sie ist festgelegt für den Heizbetrieb, den kombinierten Heizbetrieb mit einem Warmwasser-Anteil von 5 % und die Warmwasserbereitung. Ausgangspunkt für die Festlegung der fünf Teillastbereiche ist die Summenhäufigkeit der Außentemperatur. Die Teillastbereiche sind so aufgeteilt, dass die jeweiligen anteiligen Heizungswärmemengen gleich groß sind. Über die fünf Teillastnutzungsgrade wird der einfache Mittelwert gebildet.
Berechnung des Raumheizungs-Nutzungsgrades
Die jahreszeitbedingte Raumheizungs-Energieeffizienz ist im Vergleich zum Normnutzungsgrad nicht nur jahreszeitgewichtet, sondern auch primärenergetisch gewichtet. Der Wirkungsgrad wird bei 30 und bei 100 % der Nennlast ermittelt. Die wasserseitige Spreizung für die Vor- und Rücklauftemperatur ist als Ausgangsbasis der Messung vorgegeben. Nach Umrechnung auf den Brennwert wird ein gewichteter Wert ermittelt, wobei die Nennlast mit 15 % und der Teillastpunkt mit 85 % berücksichtigt werden.
Im nächsten Schritt wird bei allen Geräten 3 % für Standby-Verluste bei der Temperaturregelung abgezogen. Des Weiteren berücksichtigt die Berechnung Verluste, die bei der elektrischen Leistungsaufnahme sowie durch die Wärmeabstrahlung des Geräts entstehen. Aufgrund dieser Verluste ergibt sich in der Regel ein Wert von 93 %. Deshalb werden Brennwertgeräte im Energieeffizienzlabel der Klasse A zugeordnet.
Stefan Vötsch
ist Projektleiter ErP, Verantwortung Markt bei Bosch Thermotechnik
https://www.bosch-homecomfort.com/de/de/wohngebaeude/unternehmen/einfach-vernetzt-mit-bosch/
Markus Rotert
ist Projektleiter ErP, Verantwortung Technik bei Bosch Thermotechnik