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Harry, hol schon mal den Wagen!

Können Sie sich noch erinnern? 8. Dezember 2021? Damals endete nach 16 Jahren die Ära Merkel in Berlin, und der frisch gebackene Kanzler Olaf der Scholzige begab sich ins Schloss Bellevue zur präsidialen Ernennung. Und er probierte bei der Gelegenheit gleich seinen neuen Diestwagen aus, einen Mercedes S-Klasse, Modell S 680 Guard. Eigentlich kein Auto mehr, sondern eine kugel- und sprengstoffgesicherte Festung auf vier Rädern: Angetrieben von einem V12-Motor mit 612 PS, damit die 4,2 Tonnen schwere Kutsche Lindners Neunhundertelfer an der Ampel kanzlerwürdig Paroli bieten kann. Nicht nur der Kaufpreis (damals 457.100 Euro), sondern auch die Tankrechnung sind bei Politiker-Dienstwagen natürlich Sache des Steuerzahlers. Und bei 19,5 Litern auf 100 Kilometer kommen bei Scholzens Benz schon ein paar Euro an der Tanke zusammen. Man denke nur an die Terminhast auf deutschen Autobahnen ohne Tempolimit. Oder den Ampel-Stop-and-go, von dem die Koalition bis heute ein Lied in Dauerschleife singen kann.

Alle neuen Minister kamen damals mit ihren Karossen zu Herrn Steinmeier, um von ihm die Ernennungsurkunden entgegenzunehmen. Bis auf einen: der neue Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Er bevorzugte, vorbildlich behelmt, trotz des kalten Wintertags den Drahtesel („Ich bin mit dem Fahrrad hier!“). Einen Fahrradständer am mondänen Eingang des Schlosses suchte er vergeblich, was das Protokoll etwas aus dem Tritt brachte. Frank-Walter zuckte entschuldigend die Achseln: „Sorry, Cem. Denkmalschutz!“

Aber man war ja erst am Anfang mit den versprochenen Veränderungen – die Hoffnungen auf eine deutlich grünere Handschrift als bisher im Verkehrssektor waren damals so groß wie heute die Ernüchterung ist. Die ökologische Transformation blieb aus, auf Autobahnen gilt immer noch freie Fahr für freie Bürger, und das viel kritisierte Dienstwagenprivileg blieb unangetastet: Flat­rate-Fahren zum Niedrigpreis hat bis heute Bestand – gut jeder fünfte neue Pkw ist ein Dienstwagen, der irgendwann beim Gebrauchtwagenhändler steht.

Darunter Kleinwagen von Pflegediensten, Transporter von Handwerkern, aber eben auch die Dienstwagen der Politiker. Die Deutsche Umwelthilfe wollte es genau wissen und hat nachgehakt, wie es um den ministerialen Fuhrpark in Sachen Klimaschutz inzwischen bestellt sei. Ganz schlecht schnitt die FDP bei dem Ranking ab – deren Minister lassen sich im Audi A8 (Justizminister Marco Buschmann, Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger) und im 7er-BMW (Verkehrsminsiter Volker Wissing) chauffieren. Cem Özdemir hat sein Fahrrad noch – und gehört außerdem mit seinen Parteikolleg:innen Lisa Paus und Steffi Lemke zu den wenigen 25 Politiker:innen in Deutschland, die ihren Verbrenner oder Plug-in-Hybrid im letzten Jahr gegen ein „echtes“ Elektroauto eingetauscht haben. Wie viele wohl eine Wärmepumpe im Heizkeller haben? si