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Einstürzende Wahrzeichen

Von den sieben antiken Weltwundern stehen nur noch die Pyramiden mehr oder weniger spitz in der Gegend herum – alle anderen: durch Erdbeben, Kriege oder Vandalismus zerstört oder einfach mangels Wartungsvertrag verfallen. Seit geraumer Zeit geht es nun auch den Wahrzeichen an den Kragen. Was King Kong beim Empire State Building nicht geschafft hat, erledigte beim World Trade Center al-Quaida – der Einsturz der beiden Türme traf die Amerikaner mitten ins Herz.

Ähnlich erging es den Franzosen am 15. April 2019, als ihre „Liebe Frau von Paris“, Notre-Dame, ausgehend von einem Dachstuhlbrand, lodernd wie eine Fackel in Flammen stand. Wiederum im April, diesmal am 16ten dieses Jahres, zerbröselte nach einem Brand die Fassade der Børsen in Kopenhagen und der spiralförmige Dachreiter stürzte vom Dach – genau wie die Flèche, der berühmte Vierungsturm von Notre-Dame.

Und nun verlor das Moulin Rouge unterhalb von Sacre Cœur auch noch seine Flügelchen – die armen Franzosen! Wenn das so weitergeht, schwant mir für den Tour Eiffel nix Gutes. Da wagt man es doch kaum noch, einem solchen Wahrzeichen aufs Dach zu steigen!

Selbst in Italien, wo man mit schiefen Türmen seit Jahrhunderten seinen Frieden und sein Geld gemacht hat, gerät ein weiteres Wahrzeichen mit 3,20 m mehr aus dem Lot, als es dem Tourismus guttut: Der niedrigere der beiden weltberühmten Geschlechtertürme in Bologna, der 48 Meter hohe Torre della Garisenda, mag sich auf den seichten Untergrund nicht mehr verlassen und ist munter dabei, dem Pendant in Pisa die Schräglage abzukaufen. Treibt er es dabei zu weit, droht ein weiterer Baukulturverlust. Bis auf Weiteres ist der Zugang gesperrt.

Ähnlich bedroht ist die Konsumkultur – auch hier sind einstürzende Wahrzeichen zu verzeichnen. Vorbei scheint die Ära der pompösen Warenhäuser, vorbei die Zeit, als man noch Zeit hatte, um in Konsumtempeln wie Le Bon Marché (Paris), Galleria Vittorio Emanuele (Mailand) oder Harrods (London) inmitten inszenierter Warenwelt der Kauflust zu frönen. Stattdessen boomen Shopping-Malls, wo Verkaufsfläche die Eleganz sticht.

Das letzte Aufgebot im Kampf gegen den alles platt machenden Onlinehandel? Signa ging schon die Puste aus. „Wir gehören einer Zeit an, deren Kultur in Gefahr ist, an den Mitteln der Kultur zugrunde zu gehen“, wusste schon Friedrich Nietzsche. Das Wenige an historischer Baukultur, das in vielen unserer Städte nach dem Krieg erhalten blieb: Wir sollten es dankbar bewahren, anstatt diese Juwelen an Holdings zu verschleudern, die sie involvieren, bis der Insolvenzverwalter kommt. Auch daran wäre mal zu denken, wenn’s ums Denkmal geht. Nicht, was Kultur kostet, sondern was sie uns wert ist. si