Sichtbarer Schimmel an der Wand ist unappetitlich und mindert den Immobilienwert erheblich. Zudem stellt Schimmel ein Risiko für die Gesundheit der Gebäudenutzer dar. Das Abklären der Ursachen ist kompliziert. Trotz der großen Bedeutung für die Immobilienbranche und das Gesundheitswesen sind viele bauphysikalische, mikrobiologische und medizinische Fragen noch immer nicht vollständig geklärt. Die gesicherten Kenntnisse zur Schimmelproblematik genügen nicht, um für jeden Fall eindeutig festlegen zu können, welches die beste Vermeidungsstrategie ist. Die Vielfalt der bauphysikalischen Gegebenheiten und des Nutzerverhaltens ist zu groß, als dass allgemeingültige Strategien für die Schimmelprävention formuliert werden könnten.
Im Folgenden ist ausschließlich von der Situation in gemäßigtem Klima mit kalten Wintermonaten die Rede und davon, Schimmel- und Feuchteschäden zu vermeiden, die nicht durch Wasserinfiltrationen bedingt sind. Zu Beginn sollen zwei weitverbreitete Irrtümer korrigiert werden:
Verfügbares Wasser und Materialeigenschaften bestimmen das Schimmelrisiko
Ob bei einer gegebenen Raumluftfeuchte Kondensat auftritt oder nicht, ist letztlich abhängig von den Eigenschaften der Raumumschließungsflächen (Abb. 2). Deren Oberflächentemperatur, aber auch Hygroskopizität, Benetzbarkeit und Porengröße spielen eine Rolle. Sinkt die Oberflächentemperatur der Wand unter das Taupunktniveau, fällt die Temperatur in der Luft-Grenzschicht ebenfalls auf diesen kritischen Wert, bei dem die Luftfeuchtigkeit 100 % erreicht. Der Wasserdampf kann an der kalten Materialoberfläche kondensieren. Temperatur und Luftfeuchtigkeit in der wandnahen Luftschicht (Mikro-Klima) unterscheiden sich zu diesem Zeitpunkt wesentlich vom Klima, das im Raum gemessen werden kann (Makro-Klima). Für Schimmelpilzwachstum ist Kondensation gar nicht erforderlich. Bereits bei einer relativen Feuchte von über 80 % in der Grenzschicht der Luft zur Gebäudehülle ist dort genug Wasser verfügbar.
Nur selten lässt sich sicher herausfinden, wann das Pilzwachstum begonnen hat. Bis der Schaden an der Wandoberfläche zu erkennen ist, können Wochen, Monate oder gar Jahre vergangen sein. Die Frage, ob das Wachstum im Winter oder bereits im Herbst begonnen hat, kann wohl selten zweifelsfrei beantwortet werden. Die üblichen Schimmel-Diskussionen konzentrieren sich auf die Wintermonate. Dabei wird gerne vergessen, dass Gebäudehüllen auch im Spätherbst und im Frühsommer, wenn Häuser nachts noch beheizt werden, einem großen Kondensationsrisiko ausgesetzt sind.
Die starke und rasche Änderung der Außentemperaturen in den Morgen- und Abendstunden führt dazu, dass Temperatur- und Feuchtegradienten sich sehr dynamisch verändern. Entsprechend groß ist das Risiko für Kondensat-Bildung. Andere Gegenmaßnahmen als effiziente Dämmung sind in dieser Situation nicht Erfolg versprechend.
Schimmelpilzwachstum trotz geringer Raumluftfeuchte
Dass die Voraussetzungen für Schimmelpilzwachstum auch bei niedriger Luftfeuchte erfüllt sein können, zeigen Erfahrungen mit Häusern, die vor dem Aufkommen luftdichter und gut gedämmter Gebäude errichtet wurden. In einer finnischen Studie [1] mit 310 zufällig ausgewählten Gebäuden fanden sich in 52 % der Fälle Feuchteprobleme und in 27 % Schimmelwachstum (beides nach Expertenmeinung vor Ort), obwohl die Raumluftfeuchte im Winter in Finnland üblicherweise bei 10 bis 20 % liegt. Die WHO Europa geht von einem Feuchteproblem in 10 bis 50 % der Gebäude aus [2].
Bei einer winterlichen Raumtemperatur von 22 °C und einer Raumluftfeuchtigkeit von 50 % liegt die Taupunkttemperatur an den Raumbegrenzungsflächen bei 11 °C (Abb. 2). Schimmelwachstum ist unter den genannten Bedingungen bei Oberflächentemperaturen unter 14 °C möglich, also bei einer Luftfeuchte in der Grenzschicht über 80 %. Die Wandtemperatur muss bei dieser Ausgangslange um mindestens 8 K tiefer sein als die Raumtemperatur, bevor Schimmelwachstum beginnen kann.
Neben der Oberflächentemperatur hat auch die Dynamik von Feucht- und Trockenperioden einen wesentlichen Einfluss auf das Schimmelwachstum. Leider ist außerhalb der Laborsimulation das Wissen darüber sowohl in der Materialwissenschaft als auch in der Mykologie lückenhaft. Seit einigen Jahren wissen wir jedoch, dass Schimmelpilze bei variablen Umweltbedingungen zu viel dynamischeren Anpassungen fähig sind, als früher angenommen wurde. Es gibt Pilze, bei denen regelmäßige Trockenperioden die Wachstumsgeschwindigkeit steigern, anstatt sie zu hemmen.
Zusammenhang zwischen Schimmel und Krankheiten
Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Schimmelpilzbefall und Beschwerden oder Krankheitsbildern zu beweisen, ist schwierig. Zahlreiche klinische Studien, die vor allem in nordischen Ländern durchgeführt wurden, belegen jedoch, dass in schimmelpilzbefallenen Häusern das Risiko für Asthma, Allergien und Atemwegsinfektionen erhöht ist. Fälschlicherweise zogen Ärzte und Baufachleute die Schlussfolgerung, dass überhöhte Luftfeuchtigkeit an dieser Häufung von Erkrankungen schuld sei. Die Schimmelproblematik beruhte jedoch auf Taupunktunterschreitungen an den schlecht gedämmten Gebäudehüllen. Die Raumluftfeuchte war in den untersuchten winterlichen Heizperioden sehr niedrig!
Nur in Einzelfällen konnte bisher einem Krankheitsbild die krankmachende Komponente eindeutig zugeordnet werden. Wichtig ist, zwischen Risiko und Exposition klar zu unterscheiden. Schimmelpilze an der Wand sind ein Risiko. Erst der Luft-Transport von Schimmelpilz-Partikeln oder -Produkten in unsere Atemwege macht aus dem Risiko eine Exposition. Je niedriger die Luftfeuchtigkeit, umso höher wird die Schwebstoffbelastung und damit auch Exposition und Krankheitsrisiko (Abb. 1, rechts, und Abb. 3). Dieser Zusammenhang ist professionellen Schimmelpilz-Sanierern bekannt. Er wird im „Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“ festgehalten. Zitat: „Durch gezieltes Lüften und Heizen der befallenen Stelle kann die Feuchtigkeit reduziert und ein weiteres Schimmelpilzwachstum eingeschränkt werden. Diese Maßnahme darf jedoch nur durchgeführt werden, wenn zuvor bereits vorhandene Schimmelpilzsporen entfernt worden sind, um hohe Konzentrationen in der Raumluft sowie die Entstehung von Sekundärquellen zu vermeiden“. Das häufige gewählte Vorgehen, durch weitere Senkung der Innenraumfeuchte das Pilzwachstum lediglich einzuschränken und auf eine teure Sanierung zu verzichten, erhöht die Expositionsdosis und damit das Krankheitsrisiko für die Gebäudenutzer. Aus gesundheitlicher Sicht ist das Zusammentreffen von Schimmel und niedriger (!) Luftfeuchtigkeit die schlechteste aller Varianten.
Schimmel auszurotten ist nicht möglich
In befallenen Gebäuden ist es also unverzichtbar, einen Fachmann mit der Schimmel-Sanierung zu beauftragen. Beim Bekämpfen von Krankheitserregern aller Art gilt: Jede unserer Verteidigungsstrategien, die von den Erregern gekontert werden kann, macht sie resistenter und gefährlicher. Die tragische Geschichte der immer rascher auftretenden bakteriellen Resistenzen gegen neue Antibiotika wiederholt sich in unserem Kampf gegen Schimmelpilze.
Keine unserer Taktiken, seien sie nun chemisch oder fotokatalytisch, kann anhaltenden Erfolg haben – es wird immer einen Pilz geben, der es schafft, sich anzupassen und immer extremere Umweltbedingungen zu überleben. Die einzige anhaltend erfolgreiche Strategie gegen das Pilzwachstum in Gebäuden ist die Prävention: Durch optimale Dämmung muss der Taupunktunterschreitung entgegengewirkt werden. Gleichzeitig sind sehr starke Schwankungen der Luftfeuchtigkeit und Temperatur zu vermeiden. Diese Extremsituationen erlauben nämlich äußerst anpassungsfähigen Pilzen, sich ohne Konkurrenz durch „normale Pilze“ durchzusetzen, es verschafft ihnen einen Selektionsvorteil. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte „Black Yeast“. Der mikro-koloniale Pilz kann in extremeren Bedingungen überleben als alle anderen Mikroorganismen. Ursprünglich wurden diese Pilze in der Wüste und in der Antarktis beschrieben. Mittlerweile werden sie an Orten nachgewiesen, die von Experten als „Pseudo-Wüsten“ bezeichnet werden – z. B. in Innenräumen mit extremen klimatischen Schwankungen zwischen kalt und warm oder nass und trocken, etwa auf Silikonfugen in Badezimmern.
Schimmel-Prävention muss Gesundheitsaspekte beachten
Gute Schimmel-Prävention respektiert die Gesundheitsansprüche der Gebäudenutzer und setzt in erster Linie auf eine optimale Dämmung der Gebäudehülle. Eine weitere Senkung der ohnehin niedrigen Luftfeuchtigkeit in der Heizperiode zum Zweck der Schimmelprävention ist, wie dargestellt, eine schlechte Option.
Seit dem Aufkommen von luftdichten und gut gedämmten Gebäuden wird immer seltener Schimmelpilz an Wandoberflächen beobachtet. Allerdings wächst er nun häufig lange unerkannt innerhalb der Wandkonstruktion. Dies weckt neue Bedenken und führt zu neuen Präventionsstrategien. Drei Ansätze, die immer wieder angewendet werden, wenn die Gebäudehülle eine ungenügende oder ungeeignete Dämmung aufweist, werden im Hinblick auf die gesundheitlichen Aspekte kommentiert:
Feuchtespitzen, wie sie beim Kochen oder Duschen auftreten, sollten rigoros und rasch gesenkt werden. Jede Feuchtespitze markiert den Beginn einer sogenannten „Time of wetness“, d. h. einer Phase, während der in umliegenden und weiter entfernteren Materialien die Feuchtigkeit den Schwellenwert von 80 % überschritten hat und damit Schimmelwachstum ermöglicht wird. Zügiges Ablüften von Feuchtespitzen durch starke Abluftventilatoren, die über Feuchtesensoren gesteuert werden, ist deshalb wichtig. Die Verwendung schimmelresistenter Wandmaterialien und die Applikation von Wandabrieben mit sehr hohem Anteil an Mikroporen, welche große Wassermengen dynamisch speichern können, sind zu empfehlen.
Vom Senken der mittleren Raumluftfeuchte ist abzuraten. Durch diese Maßnahme kann zwar bei einer gegebenen Raumtemperatur und tiefen Außentemperaturen der Kondensationspunkt in der Wand nach außen verschoben werden, möglichst bis er außerhalb der Außenwand zu liegen kommt. Dies führt jedoch zu wüstenähnlichem Klima mit einer Luftfeuchtigkeit unter 20 %. Die Folgen für unsere Gesundheit werden in den Beiträgen „Wüstenklima im Büro“, (GEB 01-2017) und „Grippe-Alarm! Draußen zu kalt? Nein, drinnen zu trocken“ (GEB 04-2017) beschrieben.
Eine weitere Strategie zur Schimmelvermeidung, die nicht zu empfehlen ist, besteht in der Unterdruck-Belüftung. Auch in luftdichten Gebäuden finden sich Poren, durch die Wasserdampf in die Wandstruktur eindringen kann. Das Prinzip der Unterdruckbelüftung ist konträr zur Überdruckbelüftung, die in Hospitälern angewendet wird, um in Isolationseinheiten immungeschwächte Patienten gegen das Infiltrieren von Krankheitserregern zu schützen. Im Gegensatz dazu führt systematische, mechanische Unterdruckbelüftung zu einer stärkeren Belastung der Atemluft mit luftgetragenen Schadstoffen und gefährdet damit die Gebäudenutzer. Die Gefährdung erfolgt aus Quellen und Senken innerhalb und außerhalb des Gebäudes. Zu den Quellen, die Schadstoffe abgeben oder produzieren, gehören hustende Menschen, verschmutzte Wasserabläufe oder schmutzige Zuluft-Auslässe. Mögliche Senken, in denen sich Schadstoffe aus der Luft ansammeln oder abtransportiert werden, sind in Wohnhäusern Abwasser-Installationen, Armaturen, Türklinken, Abluftkanäle oder einfache Staubansammlungen.
In Bezug auf die Belastung mit Luftschadstoffen entscheidet häufig die positive oder negative Luftdrucksituation darüber, ob eine Stelle Quelle oder Senke ist. Beim Beispiel der Schimmelansammlung an der Wand wirkt Überdruck eher schützend, während bei Unterdruck das Expositionsrisiko ansteigt. Auch in nicht aktiv belüfteten Gebäuden treten durch Thermik und Witterungsänderungen Über- und Unterdrucksituationen auf, die nicht zu vermeiden sind. Systematische Unterdruckbelüftung ist jedoch aus gesundheitlicher Sicht sehr kritisch zu beurteilen.
Fazit: Gesundes Raumklima zulassen
Die Feuchteproblematik der Gebäudehülle kann nur im Kontext mit der Gebäudetechnik, dem Klima und dem Nutzerverhalten beurteilt werden. Es stellt sich die Frage nach den Anforderungen an den Feuchteschutz in Gebäuden, die auch im Winter ein gesundes Raumklima mit einer relativen Luftfeuchtigkeit von 50 % bei 22 °C zulassen sollen.
Für Schimmelwachstum ist bereits ein Feuchtewert von 80 % in der Grenzschicht der Luft zu den Raumbegrenzungen ausreichend. Bei der geschilderten Raumklimasituation liegt die Taupunkttemperatur bei 11 °C, die kritische Temperatur für Schimmel bei 14,5 °C. Die Dämmung der Gebäudehülle muss also dafür sorgen, dass weder an den Raumumschließungsflächen noch an relevanten Teilen der Gebäudetechnik die Temperatur in die Schimmelzone absinken kann.
Wenn durch die Anwesenheit von Personen oder deren Aktivitäten Feuchtespitzen auftreten, müssen diese konsequent abgelüftet werden. Eine bedarfsgeregelte Belüftung, die auch Feuchtespitzen schnell entgegenwirkt, regelt mit entsprechenden Sensoren (CO2, Feuchte) den Luftaustausch so, dass eine permanent niedrige, gesundheitsschädigende Luftfeuchtigkeit vermieden wird (siehe auch „Geregelte Volumenströme“, GEB 09_2017).
Starre Steuerungen oder Vorgaben von Außenluftvolumenströmen nach Belegungsplänen, Maximal-Personenzahl, Fläche oder Volumen der belüfteten Räume oder nach Anzahl der Nassräume sind zwar heute noch üblich und vorschriftskonform, sie verschwenden aber Energie und sind meines Erachtens nicht zeitgemäß.
Literatur
[1] Koskinen OM et al, The relationship between moisture or mould observations in houses and the state of health of their occupants, Eur Respir J 1999; 14: 1363±1367
[2] WHO-Leitlinien zur Innenraumluftqualität: Feuchtigkeit und Schimmel, 2009, Kurzfassung, bit.ly/geb1375
Dr. med. Walter Hugentobler
ist pensionierter Facharzt für Allgemeine Innere Medizin. Durch die Nähe seiner Praxis zum Flughafen Zürich/Kloten und durch die Betreuung von viel fliegendem Personal wurde er früh mit den praktischen Konsequenzen der Lufttrockenheit konfrontiert: ein Thema, mit dem sich Dr. Hugentobler in der gesamten Zeit seiner beruflichen Praxis auseinandergesetzt hat.
Der Artikel ist im GEB 09-2017 erschienen.