Anfang der Woche hat sich die Bundestagswahl 2005 gejährt. Gewöhnlich gibt man den neuen Amtsinhabern 100 Tage Schonfrist als Einarbeitungszeit. Für die Vorlage eines EnEV-Referentenentwurfs, der schon vor der Wahl weitgehend fertig in der Schublade gelegen hat, haben auch 365 Tage nicht gereicht. So reagiert man in den Pressestäben der zuständigen Ministerien mittlerweile leicht gereizt, wenn nach Vorlageterminen gefragt wird: „Die Minister haben auch noch andere wichtige Dinge zu erledigen. Es gibt zurzeit keinen Termin.“
„Vor März 2007 müssen wir nicht mit dem Ausstellen von Energieausweisen rechnen“, berichtete Prof. Dipl.-Ing. Arch. Armin D. Rogall auf dem Energieberaterforum 2006/07 (siehe oben) aus einer Stellungnahme, die er für die Veranstaltung aus Berlin erhalten hatte.
Vertröstungstaktik
Aus dem Amtsdeutsch übersetzt bedeutet die Stellungnahme: Es wird noch deutlich länger dauern. Selbst unter günstigsten Bedingungen sind auf diesen Termin mindestens vier Monate aufzuschlagen. Anfang dieser Woche waren die zuständigen Bundesminister Wolfgang Tiefensee, Michael Glos und Siegmar Gabriel nicht zu einer Einigung gekommen. Während Glos und Tiefensee weiter auf der von der Bauministerkonferenz der Länder geforderten uneingeschränkten Wahlfreiheit beharren, unterstützt Gabriel den Bedarfsausweis. Allerdings ist dieses nicht der einzige strittige Punkt im Referentenentwurf. So bemüht man sich derzeit eine Ebene tiefer um neue Konsensvorschläge, während der federführende Minister Tiefensee auf Chinareise am 21. September seine Gastgeber mit dem ersten Energieausweis beglückt hat (GEB-Meldung).
Doch wie kommen wir in Deutschland voran? Momentan sind zwei Szenarien denkbar: Bundeskanzlerin Angela Merkel, die auf ihrem 2. Energiegipfel am 9. Oktober zumindest mit dem EnEV-Referentenentwurf Handlungsfähigkeit der Politik unter Beweis stellen möchte, spricht ein Machtwort und boxt eine Linie durch. Das Machtwort dürfte dann wohl pro Wahlfreiheit ausfallen, um nicht der CSU die Stirn zu bieten, die bereits vorsorglich ihre Landesgruppe mit einem Störfeuer vor den Karren gespannt hat: „Wahlfreiheit oder neue Kosten für alle?“ ätzte sie am 20. September per Pressemitteilung.
Da die Tagespresse von der Wohnungswirtschaft bereits damit gefüttert wurde, dass „Bedarfsausweise mindestens 8 Mrd. Euro Belastungen für den Bürgen bedeuten“, hat Merkel bei der Wahlfreiheit kaum Wahlfreiheit. Denn das Schröpfen der Bürger war diese Woche fast allen großen und kleinen Blättern eine Schlagzeile wert. Wiederholung bei einem Bedarfsausweis-EnEV-Entwurf vorprogrammiert.
Kaum Verhandlungsmasse
Bleibt als zweites Szenario: aussitzen. Im Klartext schachern dann die Minister oder sogar die Parteien so lange, bis man einen Interessenausgleich auf der gesamten politischen Spielwiese gefunden hat. Jeder darf dann in aller Bescheidenheit einen kleinen Sieg verkünden. Viel Verhandlungsmasse gibt es allerdings gar nicht. Die EnEV200X muss ja noch durch den Bundesrat. Da die Wahlfreiheit eine Forderung der Bauministerkonferenz der Länder ist, ist maximal die Ausgestaltung des Wahlfreiheits-Modells „verhandelbar“. Sprich: Ab wie viel Wohneinheiten darf man einen Energieausweis auch auf Basis des Verbrauchs ausstellen. Darum vor einer Verbände- und Länderanhörung zu feilschen lohnt nicht und bedeutet nur verlorene Zeit. Denn einer wird mindestens massiv intervenieren – egal welche Zahl oder welcher Korrekturwert dort steht.
Ungeachtet davon, braucht eine Verordnung nach der Vorlage des Referentenentwurfs mindestens sechs Monate, in Abhängigkeit der Qualität des Referentenentwurfs und der Vielzahl der Einsprüche durchaus auch zwölf Monate bis zum Inkrafttreten. Und erst dann beginnen die Übergangsfristen, vermutlich für die erste Fälligkeit bei alten Wohngebäuden mit einer Karenzzeit von drei bis sechs Monaten. Dann bekommt das „X“ von EnEV200X schon die „8“ als Option. GLR
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