Mit einem Praxistest zu bedarfsorientierten Energieausweisen haben die Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft Unruhe in die Branche gebracht. Zwar wurden nur zwei Gebäude untersucht, aber die Schwankungsbreite ist dennoch enorm. Für das bewertete Mehrfamilienhaus wurden Primärenergie-Bedarfskennwerte zwischen 132 und 212 kWh/(m² a) berechnet, beim Einfamilienhaus lagen sie zwischen 166 und 256 kWh/(m² a).
In einer ersten Stellungnahme zu der Veröffentlichung sagte Stephan Kohler, Geschäftführer der Deutschen Energie-Agentur (dena), dass die Untersuchung als nicht repräsentativ angesehen werden könne. Allerdings weise der Evaluationsbericht des dena-Feldversuchs gar kein Gebäude auf, bei dem mehrere Energieberater unabhängig voneinander nach demselben Verfahren ein Gebäude untersucht haben, kontern die Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft, um mit der Untersuchung einen „Präzedenzfall“ zu schaffen.
Dazu schrieb uns ein Leser:
„[…] Ihr Beitrag hat mich aus einem Traum ziemlich unsanft aufgeweckt. Hat tatsächlich niemand die Aussteller beim dena-Feldtest kontrolliert? Ich habe mich vorhin im www auf die Suche gemacht, was die dena zu der Qualität der ausgestellten Energiepässe sagt. Tatsächlich habe ich keine harten Tatsachen gefunden. Immer nur Beschwichtigungen und Beruhigungen. Und den Mist mit den Kosten pro Pass. Jetzt bin ich als Bafa-Berater allerdings langsam nervös. Hat die dena tatsächlich einen Feldversuch mit 4000 Energiepässen gemacht und nicht einmal gefragt, wie reproduzierbar die Ergebnisse sind? Sollte wirklich das Fraunhofer Institut diese Frage nicht beantwortet, gestellt oder darauf bestanden haben, dass sie gestellt wird? Sie zitieren den dena-Geschäftsführer: „Die Wohnungswirtschaft kann den bedarfsorientierten Energiepass nicht erschüttern.“ Sollte die Frage nach der Qualität der Energiepässe tatsächlich nicht gestellt worden sein oder das Ergebnis unter den Tisch gekehrt worden sein, bekommt das Wort Erschütterung im Zusammenhang mit dem Energiepass eine neue Dimension. Ich hoffe, Sie haben den Schneid diese Fragen an die dena weiterzugeben.“
Dazu antwortete Felicitas Kraus, dena:
Ausgangsbasis unseres ersten Feldversuchs war einen marktfähigen Energiepass vorzubereiten und die Akzeptanz zu untersuchen. Zur Evaluation wurden die ausgestellten Energiepässe nicht in der Breite einer Gegenkontrolle unterzogen, was bei fast 4000 ausgestellten Pässen auch viel zu teuer gewesen wäre. Wichtiger war die Frage, welche Vereinfachungen – auch aus wirtschaftlichen Erwägungen – zugelassen werden können, ohne dass es zu unzulässigen Abweichungen kommt. Dazu wurden Sensitivitätsanalysen vom Fraunhofer Institut für Bauphysik durchgeführt und die Ergebnisse an den Verordnungsgeber weitergeleitet. Außerdem wurden die Energiepässe unterschiedlicher Ausstellergruppen nach vielfältigen Auffälligkeiten untersucht, wobei wir positiv davon überrascht waren, dass es hier keine der vorher gemutmaßten Tendenzen gab.
Wir dürfen uns aber nicht vor der Realität verschließen, dass letztendlich immer die Menschen maßgeblich über die Qualität entscheiden werden, unabhängig von Verbrauch oder Bedarf. Das Verfahren muss Fehler so weit wie möglich ausschließen, genauso notwendig sind aber bestimmte Qualitätsstandards im Verfahren (z. B. Gebäudeaufnahme vor Ort durch qualifizierte Aussteller) und die Qualifikation und Erfahrung der Aussteller. Hier ist auch eine ständige Weiterbildung nötig. Eine gewisse Streubreite bei den Ergebnissen ist ebenfalls aus Untersuchungen zum Energiebedarfsausweis für Neubauten seit längerem bekannt. Das sollte jedoch nicht dazu führen, den Ausweis infrage zu stellen, sondern muss vielmehr dazu genutzt werden, alle wesentlichen Ausstellergruppen auf einheitliche Qualifikations- und Qualitätsstandards zu verpflichten. Dies diskutiert die dena derzeit intensiv mit allen beteiligten Fachkreisen. Vielleicht trägt der „Praxistest“ dazu bei, auch hier noch vorhandene Widerstände zu beseitigen.
DISKUSSION: Verbrauch oder Bedarf?