Ein Keller am Niederrhein : im Rahmen eines Heizungs-Checks sollte an der Regelung eine sog. Legionellenschaltung eingestellt werden. Um diese Einstellung hatte ich den Handwerker (HW) gebeten, er wartete den Heizkessel auch. Nach einer Weile kam er zu mir und erklärte, dass in der Beschreibung zu diesem Thema nichts zu finden sei und er deshalb bei Viessmann anrufen müsse. Das sollte er dann auch tun. Etwas skeptisch sah ich selbst in die Unterlagen. Weder in der Betreiber- noch in der Fachmann-Anleitung war allerdings wirklich ein Hinweis zu Legionellen/Legionellenschaltung zu finden. Auch verwandte Begriffe wie Hygiene o. Desinfektion gab es nicht. Hatte die Fa. Viessman die Legionelle bereits besiegt ? Natürlich nicht. Das Gespräch des HW mit dem Viessmanntechniker (VT) war dann interessant. Keineswegs genügten, wie vielleicht zu erwarten, 1 bis 2 Tipps. Nein, der HW mußte regelrecht an die Hand genommen werden, um im Regelungsmenu verschiedene Einstellungen vornehmen zu können. Es mussten an verschiedenen aus Buchstaben und Zahlen bestehenden Codieradressen mehrstellige Zahlen eingegeben werden. Das Wort Legionellen tauchte dabei an keiner Stelle auf. Der Vorgang nahm ca. 10 Minuten in Anspruch. Diese Codierungen ziehen sich in mehreren Parameterebenen durch das komplette Regelungssytem. So kann man z.B. bei Adresse „7F“ mit einer 0 ein Mehrfamilienhaus kennzeichnen, bei Adresse „A5“ durch Eingabe einer Zahl von 1 bis 15 eine Sparfunktion aktivieren. Ich bezweifle das die Fa. Viessmann einen HW nennen könnte, der letzteres je eingestellt hätte.
Nun kann ich sagen, dass der HW vor Ort keineswegs auf den Kopf gefallen war - im Gegenteil, das war ein pfiffiger. Was ist von einer Heizungsregelung zu halten, die ihm trotzdem die gewünschte Einstellung verwehrt? Das bewertet sich selbst, meine ich. Es macht den Eindruck, als hätten da Ingenieure vornehmlich für sich selbst gearbeitet und nicht, wie eigentlich zu fordern, für die Anwender. Nun ist Viessman da nicht allein, dass Vaillant, Buderus u. Co. hier ganz anders wären, ist nicht festzustellen. So meinte Vaillant mal die einheitlich gekennzeichnete Heizkurve mit römischen Zahlen ergänzen zu sollen. Buderus glaubte die Regelungswelt mit Begriffen wie Außenhalt oder Raumtemperatur-Offset bereichern zu müssen. Ich vermute die Mehrheit der Handwerker hätte größte Probleme, diese Begriffe zu erläutern. Hauptsache anders scheint hier häufig die Richtschnur zu sein, verständlich muß nicht. Die Hersteller bieten sicher gute Heizgeräte an, bei der Regelungstechnik haben sie aber einen schlimmen Wildwuchs entstehen lassen. Der nützt niemand, schadet aber enorm. Jeder Hersteller macht es anders und ändert dies auch noch permanent. Das ist eine objektive Überforderung für das Handwerk und das reagiert entsprechend : Da wird dann oft nur das allernötigste eingestellt, nicht selten sogar die immer vorhandene Werkseinstellung gewählt. Damit wird jedes Haus warm, auf alle individuellen Optimierungsmöglichkeiten aber verzichtet. Wem nützen hochkomplexe Regelungen, wenn nur ein Bruchteil davon genutzt wird ? Wie geht´s besser ? Klartext, Klartext, Klartext, das müsste die oberste Leitlinie sein. So einfach und so intuitiv bedienbar wie möglich.
Das wäre mal eine schöne Aufgabe für den Dachverband der Heizungsindustrie (BDH). Statt permanent die Politik für bessere Rahmenbedingungen zu bearbeiten, könnte er mal nach innen wirken. Und dort eine einheitliche Bedienstruktur für die 20 wichtigsten Regelungs-Einstellungen durchsetzen. Es wäre ein Segen für das Handwerk und für die Betreiber der Anlagen. Und : der größte Fortschritt der Heizungstechnik in den letzten Jahrzehnten. Ein Beitrag zum Klimaschutz wäre es auch. Die Chance, dass die Regelungsmöglichkeiten genutzt werden, stiege erheblich und damit die Effizienz der Anlagen. Herr Glock (BDH-Präsident), Auf geht´s !
War am Niederrhein jetzt alles gut ? Leider NEIN, wie sich später heraus stellen sollte. Eine Legionellenschaltung war eingestellt, das schon. Aber : Täglich !!
Gefragt am: 21.08.2019 11:16:30 von Günter Rabe
2 Antworten
Das kann ich nur bestätigen. Ich bin als Prüfsachverständiger und Sachverständiger für KfW-Förderungen tätig. Jeder Hersteller hat seinen eigenen Code. Die Handwerker können die Programmierung in der Regel nicht leisten und der meist für die Einstellung herbeigerufene Experte des Herstellers kennt die Anlagenplanung (wenn es sie überhaupt gibt) nicht und stellt dann auch nur mehr oder eher weniger den Herstellerstandard ein. Was nützen dann die hochintelligenten Steuerungen, wenn sie niemand einstellen kann. Hier wäre eine App oder ein Programm mit einheitlicher Schnittstelle gefordert. USB-Stecker rein und los geht's. Aber Nein, die Hersteller bieten nur Apps an, mit denen man max. die Temperatur einstellen kann. Oder es gibt datenschutzrechtlich fragwürdige Lösungen, bei denen der Hersteller alle Anlagenparameter übermittelt bekommt, ohne dass der Nutzer Einfluss nehmen kann. Bitte lieber Bundesverband: entwickelt eine einheitliche Schnittstelle für Handwerker und Experten!
Geantwortet am: 28.08.2019 10:10:45 von Hans-Stefan Müller
Guten Tag,
vorweg: Ich bin Ingenieur und Heizungsplaner, kein Handwerker. Da ich des öfteren Viessmann Geräte in der Planung vorgebe bin ich auch mit dem Regler gut vertraut. In der Tat bietet der Regler sehr viele Einstellmöglichkeiten in den Codierebenen 1 und 2, die aber nur vom Fachmann vorgenommen werden sollen. Der Regler kann fast alles was ich schon immer einstellen wollte..., und richtig, man muß sich mit den 20 Seiten Parametercode tief auseinandersetzen bis man auch alles findet und richtig codieren kann. So ist die erwähnte "Sparfunktion" in der Adresse A5 nichts anderes als die Außentemperatur Heizgrenze, aber bezogen auf die Raumsolltemperatur die der Verbraucher im Menü vorgibt. Natürlich ist schon allein die Angabe einer Raumsolltemperatur im Verbrauchermenü des Kessels eigentlich Unsinn, dahinter steckt die leider weit verbreitete Unart, Aufenthaltsräume mit 20°C Soll anzunehmen, weil die DIN EN 12831 eine solche Vorgabe macht, falls der Bauherr nichts gegenteiliges festlegt. Da der Planer den Bauherren aber i.d.R. garnicht fragt, werden 20°C angenommen, was bekanntlich den Meisten zu kühl ist. Das wird dann mit 22°C "Raumsolltemperatur" am Kesselregler gegeneingestellt damit es keinen Ärger gibt, schon ist der schöne gerechnete hydraulische Abgleich dank veränderter Vorlauftemperaturkurve wieder beschädigt. Und weil das in der Praxis so ist wie es ist versucht der Kesselreglerprogrammierer für alle Eventualitäten eine Einstellmöglichkeit zu schaffen. Weil das in der Tat undurchsichtig und fehlerträchtig ist mit unklar formulierten Schnittstellen der handelnden Akteure berechne ich meine Anlagen selbst und stelle sie dann auch komplett selber ein, als Planer. Im Falle Viessmann habe ich mir die 20 Seiten Reglermenü kopiert, die entscheidenden Stellen markiert und arbeite dann meine relevanten 7-9 Punkte konsequent ab. Der Hausherr erhält den Hinweis bei Unbehagen oder vor Änderungen bitte mit mir Kontakt aufzunehmen. Darüberhinaus habe ich alle meine Änderungen der Werkseinstellungen in der Viessmann Montageanleitung entsprechend dokumentiert, alle Unterlagen stehen abgeheftet im Ordner auf der Anlage, so dass jeder andere stets nachlesen kann was ich da so gemacht habe.
Ich gebe meinem Vorredner Recht: Es würde schon helfen einheitliche Begriffe wie "Heizgrenze" oder "Legionellen Desinfektion" etc. zu verwenden, man käme weiter. Ja, in den Tiefen der Kesselregelung verbergen sich tatsächlich erstaunliche Sparpotentiale. Diese können letzendlich aber nur gehoben werden, wenn auch präzise Planungsdaten für diese Kennwerte vorliegen. Da Planung aber Geld kostet wird sie i.d.R. genauso weggespart wie die Berechnung des hydraulischen Abgleichs (natürlich nach Verfahren B der fast alle Daten liefert), da der Handwerker diese Planungsleistung meistens nicht anbietet und auch nicht auf die Notwendigkeit hinweist.
Und zum Schluß: Der Regler ist eigentlich ok, die komplexe Bedienung für den Fachmann gedacht und auch ok, um aber Fachmann zu werden muß man sich auch 4-8 Stunden mit dem Regler intensiv beschäftigen. Ähnlich den komplexer werdenden Wärmeerzeugern ist dies auch einer der Gründe, warum Handwerker inzwischen meist nur noch 1-2 Marken im Portfolio haben. Das ist ja bei PkW Reparaturen inzwischen auch üblich.
Geantwortet am: 27.08.2019 10:37:58 von Bernhard Engels