§25 EnEV sieht unter bestimmten und zu begründenden Randbedingungen eine Befreiung von den EnEV-Anforderungen vor, eine Beschränkung auf Bestandsgebäude oder Wohngebäude ist dabei explizit nicht genannt.
Zum EEWärmeG habe ich keine entsprechende Regelung gefunden, gehe aber davon aus, dass hier analog zu verfahren ist.
Zuständig für die Befreiung sind die auf Antrag die nach Landesrecht zuständigen Stellen, in NRW die Bauordnungsämter.
Meine persönlichen Erfahrungen in NRW:
* Bei einigen Bauämtern war ich (seit 2014!) der erste, der überhaupt einen Befreiungsantrag einreicht – verbunden mit großem Erstaunen, dass es so etwas gibt.
* Während es bei begründeten Anträgen für Bestandsgebäudesanierungen in der Regel keine Probleme gibt, ist das bei Neubauten grundlegend anders: Hier stellen sich einige Bauämter auf den Standpunkt, dass grundsätzlich selbst bei Vorlage einer nachvollziehbaren und plausiblen Begründung (konkret Nichtwohngebäude) eine Befreiung abgelehnt wird.
* Die teilweise mehrere Wochen dauernde Antragsbearbeitung führte mitunter zum Stillstand auf der Baustelle.
* Häufige Antwort auf Nachfrage: es gibt keine abgestimmten Vorgaben, Anweisungen, Leitlinien etc. – weder kommunal noch Bezirks- oder Landesebene.
* Hilfesuchend kam dann mitunter die Rückfrage an mich, wie denn die Rechtsprechung zu der Thematik ist.
Mich interessieren Ihre Erfahrungen zum Thema, insbesondere bei kleineren gewerblichen Nichtwohngebäuden wie Hallen-Neubauten mit Bürobereichen.
Freundliche Grüße
Martin Becker
Gefragt am: 14.04.2020 09:33:54 von IB Becker
5 Antworten
Wer etwas erleben will sollte gern bei mir einen solchen Antrag stellen... Geschuldet der Tatsache, dass der Gesetzgeber alles an die unteren Bauaufsichtsbehörden abwälzt aber bei konkreten Fragen sich dafür die oberste Bauaufsichtbehörde mit Ihren einzelnen Mandaten niemand verantwortlich fühlt gibt es für Fragen nur den BBSR oder EnEV-Online. Die Auslegungsstaffel ist nicht rechtsverbindlich, und die EnEV weicht von dem ab was der Amtmann machen muss. Die Mindestanforderungen (DIN 4108) sind sein Maß! Ich bin seit 17 Jahren in einer Baubehörde tätig. Versuche mich stets zu aktualisieren. Leider gibt es nicht wie beim klassischen Energieberater nur eine Richtlinie. Habe diverse Befreiungen von EnEV und EEWärmeG auf dem Tisch gehabt. Und glauben Sie mir auch " die da draußen" haben die Weisheit nicht mit löffeln gefressen. Dafür gibt es in diesem Normengewirr zu viel Interpretationsspielraum. Auch ist je nach Landesbauordnung eine Vielfalt an verfahrensfreien Maßnahmen möglich. Dazu gehören im allgemeinen Dach und Fassadendämmungen, so lange es nicht Anforderungen an den Brandschutz oder Gestaltung sind. Es gibt je nach Landesbauordnung ein DVO (Durchführungsverordnung) der EnEV und die ist leider sehr dünn. Es gibt unheimlich viele Lücken in dieser EnEV die, dass Bauamt untätig werden lässt. Aber glauben Sie mir Sie sind sicher auch nicht David Copperfield
Geantwortet am : 16.04.2020 17:28:02 von aeisenack
Liebe Kollegen,
ja, die Materie ist komplex und deshalb habe ich mich auf Energieberatung spezialisiert und bekomme solche Arbeiten auch ohne Gebührenordnung ordentlich bezahlt.
Allerdings wäre es mein Projekt wäre mein Ziel mindestens die EnEV/EEWärmeG einzuhalten. Da bestehen vielfältige Möglichkeiten auch ohne Nutzung "klassischer" erneuerbarer Energien, zumal Zonen mit Raumhöhen > 4m von den Verschärfungen der EnEV 2016 ausgenommen sind. Es lohnt inzwischen nicht nur einen Blick auf die Investitionskosten, sondern auch auf die Energieverbrauchskosten mit CO2-Steuer zu werfen. Für die wenigen Ausnahmen im Bereich Produktionshallen sollte der Nachweis einfach sein - und die Prüfung durch die Ämter wird ja dann wohl ähnlich sein, wie beschrieben. Tipp: Hessen hat hierzu eine Vorgehensweise entwickelt.
Im bürokratischen Ablauf und in der Transparenz gibt es sicher Verbesserungspotential. Aber die ganzen Jahre, die ich das verfolge sind hier einzelne Bundesländer auf der Entscheiderebene die Bremser. D.h. ich empfehle meinen Vorredner/innen ihre (Berufs-)Organisation zu motivieren hier mal tätig zu werden. Von den klassischen Akteuren habe ich in dahingehend bisher leider wenig Konstruktives wahrgenommen sondern eher ähnliche Pauschal(negativ-)einschätzungen, wie sie hier gefallen sind. Es wäre schön, wenn sich das mal ändern würde.
Geantwortet am: 16.04.2020 20:25:21 von G. Renner
Liebe Kollegen,
vielen Dank für Ihre/Eure Rückmeldung, die mir aus der Seele spricht.
Grundsätzlich ist mein Anspruch, die Mindestanforderungen der EnEV und in Folge das EEWärmeG einzuhalten. Die EnEV unterliegt dem Wirtschaftlichkeitsgebot; daher auch der §25, der meiner Auffassung nach in begründeten Einzelfällen auch für Neubauten gilt. Das hier die kommunalen Entscheider alleine gelassen werden, ist eigentlich ein Unding und führt zu Bauchentscheidungen, die für keinen der Beteiligten zufriedenstellend sind: weder ein Baustopp noch ein zeitraubender Klageweg können hier das Ziel sein. Mein Vorschlag an die Entscheider ist, sich z.B. auf Bezirksebene einmal in einem Workshop auszutauschen, Praxisfälle zu diskutieren und eine Leitlinie zu erstellen, an denen sich die kommunalen Entscheider orientieren können. Wie sehen Sie/seht Ihr das?
Geantwortet am: 28.04.2020 12:46:52 von IB Becker
Lieber Herr Becker,
Ihre Idee ist gut - viele Kommunen haben solche Leitlinien bereits. Die Stadt Frankfurt z.B. baut und saniert überwiegend nur noch im Passivhausstandard nach einer transparenten Kosten-Nutzen-Rechnung. Eine Kommune nutzt ein Gebäude relativ lange, d.h. die Energieverbrauchskosten (inkl. CO2-Steuer, Wartung etc.) sind in der Wirtschaftlichkeitbetrachtung zwingend mit zu berücksichtigen. Dadurch haben sich mögliche Mehrkosten in der Bauphase schnell amortisiert. Geschickte Ausnutzung von Fördermitteln und evtl. noch bessere Förderkonditionen für den Neubau von Nichtwohngebäuden ab 2021 minimieren diese.
Mögliche weitere Option wenn die Kommune ihre Klimaschutzaufgabe ernst nimmt: die BAFA bietet eine sehr gute Förderung für eine Neubauberatung mit Ziel KfW-Förderung an:
https://www.bafa.de/DE/Energie/Energieberatung/Energieberatung_Nichtwohngebaeude_Kommunen/sanierungskonzept_neubauberatung_node.html
Darüber lässt sich externes Fachwissen für eine gute Entscheidungsgrundlage gut finanzieren - wenn die Kommune daran Interesse hat.
Geantwortet am: 28.04.2020 15:43:11 von G. Renner
Wer etwas Spannendes erleben will, sollte eine Befreiung von bestimmten EnEV-Anforderungen bei der unteren Baubehörde stellen. Von völliger Unkenntnis über Verwunderung und sofortiger Ablehnung kann man hier alles Schattierungen des Amtes erleben. Die Baubehörden sind meist völlig überlastet mit den Anforderungen der EnEV/EEWärmeG und wollen das ganze Thema am liebsten nicht anfassen. Die Prüfung eines EnEV-Nachweis im Neubau - zwei Soll-/Istwerte miteinander vergleichen - ist schon zuviel verlangt. Die Sanierung hat völlig freie Hand, Putzfassaden abklopfen und ohne Dämmung einfach wieder verputzen, Komplettsanierungen von Wohngebäuden, Fenstertausch etc. werden einfach ignoriert. An der Stelle etwas mehr Augenmerk auf energetische Ausführungen legen oder die Energiewende etwas forcieren… Fehlanzeige. Die Ursache liegt sicher in der Komplexität des Themas, hier kann man sich leicht eine blutige Nase holen. Und zudem ist in dem Ganzen kein Geld zu verdienen, da es dazu keine Gebührenordnung gibt. Ach ja, nicht zu vergessen ist, dass z.B. hier in Bayern die Behörden angewiesen sind den Wärmeschutz nicht zu prüfen. Sieht man auf den Formularen und Checklisten, hier wird nur von Statik, Schallschutz, Brandschutz etc. aber nicht vom Wärmeschutz gesprochen.
Geantwortet am: 16.04.2020 16:08:00 von Energieberater