Thermogramme, so die korrekte Bezeichnung für Thermografie-, Infrarot- oder Wärmebilder, enthalten vor allem präzise Temperaturinformationen. Mit der in der Regel im Kamera-Lieferumfang enthaltenen Auswertungssoftware lassen sich jedoch weit mehr Informationen aus einem Thermogramm herausholen, als nur die Temperatur jedes einzelnen Bildpunktes: So können anschauliche Messwertreihen und Diagramme erstellt werden, die einen räumlichen oder zeitlichen Temperaturverlauf dokumentieren.
Sind bauphysikalische Kenngrößen, Material- und Klimadaten bekannt, lassen sich Kondensationspunkte und damit schimmelgefährdete Stellen oder Wärmebrücken an Gebäuden lokalisieren. Mit spezieller Software lässt sich sogar das energetische Verhalten von Bauteilen und Gebäuden simulieren. Thermografie-Programme können Thermogramme am PC-Monitor anzeigen, modifizieren, optimieren, organisieren, analysieren, Digitalfotos gegenüberstellen bzw. mit diesen überlagern und zu einem nachvollziehbaren Thermografie-Bericht zusammenstellen. Erst die Auswertungssoftware macht eine Thermografiekamera zu einem wirkungsvollen Kontroll- und Analyseinstrument.
Von der Aufnahme zum Report
Mit dem Drücken des Auslöseknopfes wird das von der Kameraoptik erfasste Wärmebild oder eine Bildsequenz auf einen internen Flash-Speicher und/oder einen externen Speicher (SD, Mini-SD, mmC) in einem herstellerspezifischen oder einem erweiterten allgemeinen Datenformat abgelegt. In der Datei enthalten sind, neben den radiometrischen Informationen (bei Kameras mit Digitalfoto-Funktion auch die visuellen Bilddaten), die Aufnahmezeit und das Datum, eine individuelle Bildnummer sowie Kamera-Einstelldaten zum Zeitpunkt der Aufnahme (Entfernung Kamera-Objekt, Luft-/Strahlungstemperatur, Kalibrierdaten etc.). Von der Kamera in den PC übertragen werden die Daten wie bei einer gewöhnlichen Digitalkamera per Datenkabel oder Kartenleser. Danach können eine oder mehrere Bilddateien in das Programm geladen, optimiert und ausgewertet werden. Ist das Bild beispielsweise aufgrund eines ungünstigen Aufnahmewinkels verzerrt, kann es bei einigen Programmen sogar perspektivisch entzerrt werden, ohne dass die Möglichkeit radiometrischer Messungen oder Korrekturen verloren geht. Das gilt teilweise sogar für unscharfe Thermogramme, wobei das „Scharfrechnen“ Erfahrung und Know-how erfordert.
Mithilfe der Auswertesoftware können Farbskalen und -paletten über das gesamte Bild oder nur lokal in einem bestimmten Bereich verändert werden. Sogenannte ROIs (Regions of Interest), das sind im Thermogramm mithilfe von Punkten, Linien oder Flächen definierte Messbereiche, können in Form von Messreihen und Diagrammen ausgewertet werden. 2D- oder 3D-Profildiagramme geben dabei den Temperaturverlauf entlang einer Linie oder einer Fläche an, Histogramme zeigen die Häufigkeitsverteilung von Temperaturwerten, Zeitdiagramme verdeutlichen den Verlauf von Durchschnitts-, Minimum- und Maximumwerten innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts. Besonders interessante Bereiche im Thermogramm lassen sich mit Hinweispfeilen oder anderen Markierungen hervorheben und beschriften. Thermogramme, Tabellen und Diagramme können mit individuellen Kommentaren versehen werden. Ebenso lassen sich Infrarotaufnahmen visueller Digitalfotografien für Vergleiche gegenüberstellen oder mit diesen überlagern, um Sachverhalte besser verdeutlichen zu können. Mit der „Reportgenerator“-Funktion lassen sich all diese Komponenten zu einem ausführlichen Thermografie-Bericht zusammenstellen, den man als DOC- oder PDF-Datei exportieren kann.
Was sollte ein Bericht enthalten?
Grundsätzlich hängen Struktur, Inhalt und Umfang eines Thermografie-Berichts von der konkreten Aufgabe ab. Folgende Informationen müsste ein Thermografiebericht jedoch in jedem Fall enthalten: die Aufgabenstellung, den Auftraggeber/-nehmer und die Teilnehmer, ferner Klimadaten (Innen-/Außentemperatur, Wetter, Sonneneinstrahlung, Wind etc.), Objektdaten (Adresse, Gebäudetyp, einen Lageplan mit Himmelsrichtung, die Konstruktionsweise und Materialien der Gebäudehülle, das Gebäudealter, ggf. durchgeführte Renovierungsarbeiten, Heizsystem), Kameradaten (Hersteller, Kameramodell, technische Daten), Bildinformationen zu jedem Thermogramm (Datum und Aufnahmezeit, eine Farbskala, Emissionsfaktoren etc., sinnvoll bei vielen Aufnahmen: ein im Grundriss eingetragener Aufnahmestandpunkt mit Blickrichtung). Jedes Thermogramm könnte durch ein Digitalkamera-Foto ergänzt werden. Wesentlich ist natürlich eine Auswertung der Thermogramme mit individueller Erläuterung und Bewertung.
Bei Problembereichen (Wärmebrücken, feuchte Stellen etc.) könnten Vorschläge zu deren Beseitigung enthalten sein. Abschließend sollte eine Schlussfolgerung und Zusammenfassung, bezogen auf die konkrete Aufgabenstellung, enthalten sein. Bei längeren Berichten ist ein Inhalts- und Stichwortverzeichnis sinnvoll.
Alles eine Frage der Einstellung
Damit man aus den Tausenden von Temperatur-Messwerten eines Thermogramms überhaupt etwas herauslesen kann, wird der vom Kamera-Detektor aufgezeichneten Signalstärke ein Temperaturwert zugeordnet und dieser wiederum mit einem Grau- oder Farbwert belegt. Damit der Betrachter unmittelbar sieht, welche Temperatur welcher Farbe entspricht, wird seitlich oder unterhalb des Bildes eine Farbskala abgebildet. Dadurch lassen sich Temperaturen schnell ablesen. Infrarotaufnahmen werden stets mit den kompletten radiometrischen Informationen, d.h. mit allen vom Kamera-Detektor erfassten Einstrahlungsdaten gespeichert. Die Temperatur-Spreizung, d.h. die zum jeweiligen Messobjekt passende Einstellung des Temperatur-Messbereichs der Kamera vor Ort wird dadurch unproblematisch, weil sie später im Auswertungsprogramm verändert werden kann.
Ein zu helles, zu dunkles, zu kontrastarmes oder völlig übersteuertes Thermogramm lässt sich dadurch korrigieren. Auch der Emissionsgrad (materialspezifischer Wärmeabstrahl-Kennwert) von Thermogrammen lässt sich mit der Software jederzeit nachträglich modifizieren, ohne dass Informationen verloren gehen oder verfälscht werden. Deshalb gehören die Einstellung der Temperaturskala oder des Emissionsgrades zum Standardrepertoire von Thermografie-Programmen. Damit ein kontrastreiches Bild entsteht, muss noch eine passende Verteilung der Farbwerte (Farbpalette) innerhalb des eingestellten Temperatur-Messbereichs festgelegt werden. Auch das lässt sich nachträglich verändern. Abhängig davon, welche Bildaussage mit dem Thermogramm erzielt werden soll, kann es nachträglich eher warme Rot- und Gelbtöne oder eher kühle Grün- und Blautöne erhalten. Das ist übrigens auch der Grund, weshalb Gebäudebesitzer von unseriösen Thermografie-Dienstleistern leicht in die Irre geführt werden können: Rot wird bei Außen- bzw. Blau bei Innenaufnahmen mit „schlecht“ gleichgesetzt, was jedoch nicht generell zutrifft.
Das sollte die Software können
Der Funktionsumfang von Thermografie-Software, die (meist in Form von Viewern = „Anzeigeprogrammen“) kostenfrei heruntergeladen werden kann, respektive mit der Kamera kostenfrei mitgeliefert wird, ist recht unterschiedlich. Deshalb sollte man auf folgende Merkmale besonders achten: Da ist zunächst der Anbieter, der bei der Wahl der richtigen Kamera/Software auch eine wichtige Rolle spielt. Seit wann ist er auf dem Markt? Wie viele Kunden setzen seine Kameras und die Software bereits ein? Bietet er auch Schulungen an? Die Einsatzbereiche geben an, für welche Bereiche sich die Software eignet (Anzeige, Bearbeitung, Analyse, Reporting etc.). Ferner ist wichtig, für welche Kameramodelle des Anbieters die Software eingesetzt werden kann (alle oder nur bestimmte Modelle). Angesichts zahlreicher Fachbegriffe ist es für den Anwender einfacher, wenn die Software auch in deutscher Sprache verfügbar ist.
Zum Standard, nachträglich Einstellungen vorzunehmen, gehören z.B. die Modifizierung der Farbpalette oder des Temperaturbereichs. Wichtig für die Bearbeitung von Thermogrammen sind Funktionen wie Drehen, Spiegeln, Entzerren, die Einbindung bzw. Überlagerung von Realbildern sowie die Bildsequenz-Bearbeitung. Bei der Analyse von Thermogrammen sind die Anzeige von Werten wie Emissionsgrad, Transmissionsgrad, Temperatur, Differenzbild, Isothermen oder ROIs von Interesse. Eine Alarm-Funktion sollte auf problematische Taupunkte und damit potenziell schimmelgefährdete Bereiche sowie auf Wärmebrücken hinweisen. Bei der Erstellung von Berichten sollten die Thermogramme durch aussagekräftige Listen, Skalen, Diagramme und individuelle Kommentare ergänzt werden. Layout-Vorlagen beschleunigen die Berichterstellung und sollten auch eine Möglichkeit bieten, das eigene Fimen-Logo einzubinden. Schnittstellen wie ASCII, TXT, DOC, XLS, PDF sowie ein Pixelbild-Export (BMP, JPG, TIF…) ermöglicht die Weiterbearbeitung und den digitalen Austausch von Text- und Bildinformationen. Der Support sollte per Telefon, Fax, E-Mail oder Fernwartung möglich sein und nach Möglichkeit auch ein Online-Forum enthalten. Wichtig ist auch, ob die Software im Kamera-Lieferumfang enthalten ist, respektive zu welchem Preis die Software zu erwerben ist.
Software kann Know-how nicht ersetzen
Ohne Software keine Analyse und Auswertung – und ohne diese sind Thermogramme für den Hauseigentümer nahezu wertlos. Der Leistungsumfang im Kamera-Lieferumfang enthaltener Software ist zwar teilweise sehr unterschiedlich – für die meisten Anwendungsfälle jedoch ausreichend. Zusätzliche Funktionswünsche können beispielsweise speziell für die Gebäudeanalyse konzipierte, optionale Programme (z.B. Flir BuildIR oder Fornax von InfraTec) abdecken: Sie können bauphysikalische und energetische Probleme im Detail aufdecken, U-Werte, Wärmeströme oder Energiekosten berechnen, Simulationen durchführen und umfangreiche Inspektionsberichte erstellen. Trotz aller Werkzeuge, Funktionen und Automatismen sollte man sich stets bewusst sein, dass auch die beste Thermografie-Software fachliches Know-how nicht ersetzen kann. Sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Auswertung sind Kenntnisse aus den Bereichen Optik, Wärmestrahlung, Wärmeleitung, Materialkunde etc. und nicht zuletzt der Bautechnik erforderlich. Andernfalls kann man schnell zu Fehlschlüssen kommen.
Marian Behaneck
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Praxistipps: Das sollte man beachten
Bis zu einem gewissen Grad lassen sich bei Thermogrammen ungünstige Kameraeinstellungen per Software nachträglich ausbügeln. Nicht korrigiert werden können die Messung verfälschende Faktoren wie die Sonneneinstrahlung, Windexposition oder thermische Spiegelungen an glatten Oberflächen etc. Zahlreiche Fehlerquellen lauern insbesondere bei der Bauthermografie sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Interpretation der Thermogramme (Beispiele):
Die Sonnenstrahlung kann Objekte aufheizen und so tatsächliche Temperaturverhältnisse verfälschen. Daher nachts bzw. in den frühen Morgenstunden messen.
Gläser und Metalle spiegeln Umgebungstemperaturen wider, sodass Spiegelungseffekte zu Fehlinterpretationen führen können.
Fenster sollten geschlossen bleiben, da entweichende Wärme die Messung benachbarter/darüber liegender Bereiche verfälschen kann.
Rollläden sollten teilweise geschlossen und geöffnet sein, um das unterschiedliche Wärmeabstrahlverhalten beurteilen zu können.
Unterschiedliche Raumtemperaturen können bei Außenaufnahmen zu Fehlschlüssen führen, daher sind Außen- UND Innenaufnahmen wichtig.
Luftundichtigkeiten an Fenstern lassen sich am besten mit einer kombinierten Blower-Door und Thermografie-Messung lokalisieren.
Energiesparmaßnahmen sollten erst nach gründlicher Analyse der Messergebnisse und des Gebäudes beschlossen werden.
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Weitere Informationen*
Anbieter mit vielen Infos und Beispielen http://www.bauthermografie-luftdichtheit.de, http://www.thermografie.de
Thermografie Verband Schweiz, http://www.thech.ch
Ö. Gesellschaft für Thermografie, https://www.thermografie.co.at/
Bundesverband f. angew. Thermografie, https://www.vath.de/
Literatur
Fouad, N.A./Richter T.: Leitfaden Thermografie im Bauwesen, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2009
Schuster N./Kolobrodov, V.: Infrarotthermographie, Wiley, Berlin 2004
* Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Stand: 2/10