Die deutsche Konjunktur hat sich im ersten Halbjahr 2011 merklich verlangsamt.
Das RWI prognostiziert einen Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,9% für 2011, nachdem es im Juni noch von 3,7% ausgegangen war. Verschlechtert hat sich insbesondere das internationale Umfeld, was sich in nur geringen Zuwächsen im zweiten Halbjahr 2011 und für 2012 niederschlagen dürfte. Für 2012 rechnet das RWI mit einem BIP-Wachstum um 1,0%. Zudem geht das Institut von einer geringfügig sinkenden Arbeitslosenquote und weiter zurückgehender Staatsverschuldung aus.
Das Wachstum der Weltwirtschaft hat sich bereits seit dem Winterhalbjahr 2010/11 spürbar abgeschwächt. Es ist zu erwarten, dass die Expansion insbesondere in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften zögerlich bleiben wird. Für die Schwellenländer sind die Aussichten im Allgemeinen etwas günstiger. Das Weltsozialprodukt dürfte in diesem Jahr um 3,7% und im nächsten Jahr um 3,8% steigen.
Der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland hat sich im Verlauf der ersten Jahreshälfte 2011 nach sehr schwungvollem Beginn spürbar verlangsamt. Dämpfend wirkten vor allem der Außenhandel und die privaten Konsumausgaben. Sowohl realwirtschaftliche als auch umfragebasierte Indikatoren lassen wenig Zweifel daran, dass das BIP derzeit schwächer wächst als im Durchschnitt des laufenden Aufschwungs. Die Zunahme der Industrieproduktion wie auch der Bautätigkeit hat sich seit Beginn des Jahres verlangsamt. Gleichzeitig verschlechterten sich alle Klimaindikatoren, wenn sie auch immer noch darauf hindeuten, dass die Wirtschaft wächst.
Vor diesem Hintergrund senkt das RWI seine BIP-Prognose für dieses Jahr auf 2,9%, nachdem es im Juni noch von 3,7% ausgegangen war. In der Zuwachsrate für dieses Jahr spiegeln sich im Wesentlichen der statistische Überhang aus dem Vorjahr und das starke erste Quartal wider. Für das zweite Halbjahr 2011 und für 2012 sind nur geringe Zuwächse zu erwarten. Für das nächste Jahr erwartet das RWI eine BIP-Zunahme um 1,0%, nachdem es im Juni 1,7% prognostiziert hatte. Wegen der deutlich verschlechterten internationalen Rahmenbedingungen dürfte die Außenwirtschaft 2012 kaum einen Beitrag zum deutschen Wachstum liefern. Dies schlägt erfahrungsgemäß auf die Unternehmensinvestitionen durch, die sich daher auch verlangsamen dürften. Der Wohnungsbau dürfte hingegen insbesondere von den wohl weiterhin günstigen Hypothekenzinsen und der anhaltend stabilen Beschäftigung profitieren, die auch die privaten Konsumausgaben stützt.
Lage am Arbeitsmarkt verbessert sich kaum noch, Preisauftrieb lässt nach
Die Lage am Arbeitsmarkt wird sich aufgrund der nachlassenden gesamtwirtschaftlichen Expansion voraussichtlich nur noch wenig verbessern. Die Arbeitslosenquote dürfte im Jahresdurchschnitt von 7,0% in diesem Jahr auf 6,7% im nächsten Jahr sinken. Die Teuerung dürfte im Prognosezeitraum nachlassen, da mit der schwächeren Konjunktur die Überwälzungsspielräume geringer werden. In diesem Jahr dürfte sie 2,3% betragen. Da jedoch aufgrund der sich abzeichnenden höheren Lohnsteigerungen die Lohnstückkosten stärker steigen dürften, wird die Inflationsrate 2012 mit 1,8% wohl über dem langjährigen Durchschnitt bleiben.
Das Budgetdefizit des Staates wird sich angesichts der in diesem Jahr noch kräftigen Konjunktur voraussichtlich auf 30 Milliarden Euro verringern. Für das kommende Jahr erwartet das RWI eine weitere Abnahme auf 20 Milliarden Euro. Die Defizitquote ginge damit auf 1,2% bzw. 0,8% zurück. Damit würde sich auch die Schuldenstandsquote zurückbilden, die den Schuldenstand eines Landes in Relation zum Bruttoinlandsprodukt beschreibt. Sie war im vergangenen Jahr von 74,2% auf 84,0% emporgeschnellt.
Erhöhte Rezessionsgefahr durch Schuldenkrise und Spannungen im Finanzsektor
Die Risiken für die Konjunktur haben in den vergangenen Wochen zugenommen, die Rezessionsgefahr hat sich vergrößert. Zum einen verunsichert die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum Verbraucher und Unternehmen. Zum anderen haben die Spannungen im Finanzsektor wieder spürbar zugenommen, die jederzeit auf die Realwirtschaft durchschlagen können. Schließlich hat die EZB in der jüngsten Zeit verstärkt Staatspapiere aufgekauft und gefährdet damit auf mittlere Sicht die Preisniveaustabilität.
Die bisherigen Reaktionen der Wirtschaftspolitik auf die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum brachten nicht die gewünschte Beruhigung der Märkte. Dies dürfte auch daran liegen, dass die Finanzpolitik der EWU-Länder an Glaubwürdigkeit verloren hat, weil in der Vergangenheit zu oft die Regeln des EU-Vertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspakts gebrochen wurden. Auch war es wohl der falsche Weg, dass die EZB in großem Umfang Staatsanleihen aufkaufte, um die Finanzmärkte zu stabilisieren. Die Mitglieder des Euro-Raums sollten für ihre Finanzpolitik Regeln einführen, die vergleichbar mit der deutschen Schuldengrenze die öffentliche Verschuldung limitieren, um so Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
Überhitzung und Verunsicherung haben die Weltwirtschaft geschwächt
Die internationale Konjunktur hat sich seit dem Winterhalbjahr 2010/11 spürbar abgekühlt. Die Industrieproduktion expandierte sowohl in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften als auch in den Schwellenländern zuletzt nur noch moderat. Zu der Abschwächung haben zahlreiche Faktoren beigetragen: In den Schwellenländern machten sich mehr und mehr Überhitzungserscheinungen bemerkbar, auf die die Geldpolitik mit restriktiven Maßnahmen reagierte. Gleichzeitig werteten dort die Währungen häufig auf, was die preisliche Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder verminderte. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften zeigten sich Verbraucher und Investoren zunehmend verunsichert. Eine wesentliche Ursache hierfür waren die wachsenden Probleme vieler Länder mit ihren Staatsfinanzen. Zudem häuften sich im Sommer die schlechten Meldungen zur Konjunkturlage, was dazu beitrug, dass es zu starken Kursverlusten an den Aktienmärkten kam.
Angesichts der erneuten Turbulenzen an den Finanzmärkten und der sich eintrübenden Konjunkturaussichten wurde der Expansionsgrad der Geldpolitik in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften bisher kaum zurückgenommen und wirkt für sich genommen stimulierend. In den USA hat die Notenbank angekündigt, den Zins bis 2013 auf dem derzeitigen Niveau zu belassen, und für den Fall eines Konjunktureinbruchs weitere expansive Maßnahmen in Aussicht gestellt. Von der Finanzpolitik gehen hingegen eher dämpfende Wirkungen aus. Da die Staatsverschuldung in zahlreichen Ländern ein kritisches Niveau erreicht hat, wurden vielfach Konsolidierungsprogramme beschlossen oder angekündigt. Diese dürften die Konjunktur dämpfen.
Risiko einer weiteren Eskalation der Schuldenkrise ist beträchtlich
Ausgehend von diesen Rahmenbedingungen ist zu erwarten, dass die Expansion insbesondere in den fortgeschrittenen Ländern schwach bleibt. Für die Schwellenländer sind die Aussichten im Allgemeinen etwas günstiger. Eine zentrale Annahme der Prognose ist allerdings, dass die verantwortlichen Institutionen die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum in den Griff bekommen und dadurch die Spannungen an den Finanzmärkten abgebaut werden. Unter dieser Voraussetzung prognostiziert das RWI eine zwar verhaltene, aber kontinuierliche Expansion der Weltwirtschaft und erwartet nach der recht kräftigen Zunahme um 5,1% (in Kaufkraftparitäten gerechnet) im Jahr 2010 eine Steigerung des Weltsozialprodukts um 3,7% in diesem bzw. 3,8% im kommenden Jahr. Für den Welthandel mit Waren bedeutet dies eine Ausweitung um 4,1 bzw. 4,7%.
Das Risiko einer weiteren Eskalation der Schuldenkrise mit erheblichen realwirtschaftlichen Konsequenzen ist allerdings beträchtlich. Bereits jetzt gibt es deutliche Zeichen, dass das Misstrauen der Banken untereinander aufgrund der Staatsschuldenkrise wieder zunimmt. Damit ist die Gefahr gewachsen, dass die Versorgung der Unternehmen mit Krediten gestört werden wird, was sich nach den Erfahrungen aus der Finanzkrise auch auf den internationalen Warenaustausch auswirken dürfte.