Das Solar Cluster Baden-Württemberg setzt sich für eine nationale CO2-Abgabe ein. Deutschland sollte wie etwa Frankreich oder Großbritannien eine solche finanzielle Maßnahme einführen, da eine wirksame Reform des europäischen Emissionshandels nicht durchsetzbar ist. Laut der Branchenvereinigung aus dem Südwesten müssen die Kosten für den Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid mindestens um den Faktor zehn steigen. Nur so könnte ein marktgerechter Preis erzielt werden, der die Umweltschäden fossiler Energien abbildet und für faire Wettbewerbsbedingungen auf dem Energiemarkt sorgt. Mit einem höheren CO2-Preis könnten zudem Fördermaßnahmen, etwa die EEG-Einspeisevergütung, überflüssig werden.
Aus dem Klimaabkommen von Paris ergibt sich der dringende Auftrag an Politik und Gesellschaft, die Energieversorgung in Deutschland bis spätestens 2050 vollständig CO2-frei zu gestalten. Von zentraler Bedeutung für die Dekarbonisierung sind der schnelle und konsequente Umstieg auf erneuerbare Energiequellen, einschließlich deren Speicherung und Netzintegration sowie Maßnahmen zur Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität.
Preis muss laut Expertenkommission auf 35 bis 70 Euro pro Tonne CO2 steigen
Als einfachstes und wirkungsvollstes Steuerungsinstrument für die genannten Punkte fordern Experten eine marktgerechte Bepreisung des CO2-Ausstoßes. Europa hat mit dem Emissionshandel einen solchen Mechanismus im Grunde bereits etabliert. „Der Emissionshandel entfaltet jedoch keinerlei Steuerungswirkung, da die kostenlose Zuteilung der Verschmutzungsrechte an die Industrie zu einem Preisverfall geführt hat“, erklärt der Geschäftsführer des Solar Clusters Dr. Carsten Tschamber. „Hier braucht es einen kraftvollen Ausgleich.“
„Wie die Preiserhöhung im Einzelnen ausgestaltet wird, ist zweitrangig“, so Tschamber weiter. „Allein auf den Effekt kommt es an: Die Nutzung fossiler Energien muss teurer werden, bislang sind die wahren Kosten für Öl, Erdgas, Kohle und Atomenergie im Strom- und Wärmepreis nicht enthalten.“
Experten haben ein mögliches Preisniveau bereits berechnet: Eine von den Ökonomen Joseph E. Stiglitz und Nicholas Stern geleitete Kommission kam im Mai 2017 zu dem Schluss, dass zum Erreichen der Pariser Klimaziele kurzfristig (bis 2020) ein Preisniveau von 40 bis 80 US-Dollar pro Tonne CO2 und mittelfristig (bis 2030) von 50 bis 100 US-Dollar notwendig ist. Die Realität sieht noch anders aus: Der Preis in Europa bewegt sich seit seiner Einführung zwischen 3 und 8 Euro pro Tonne CO2 und hat sich in den letzten Monaten bei etwa 5 Euro eingependelt.
Um wirksamen Klimaschutz zu betreiben und Anreize für die fossile Energieerzeugung abzubauen, müssen die Kosten für den CO2-Ausstoß also verzehnfacht werden. „Sollte diese Verteuerung im europäischen Rahmen nicht durchsetzbar sein oder zu lange dauern, sollte Deutschland eine nationale Lösung einführen“, fordert Tschamber. Auf diesem Weg wäre die Bundesrepublik übrigens nicht alleine: So haben laut einem Bericht der Weltbank zahlreiche europäische Länder neben dem Emissionshandel nationale CO2-Abgaben eingeführt. Frankreich etwa verlangt 33 US-Dollar pro Tonne CO2, Großbritannien hat einen Mindestpreis von 22 US-Dollar. Auch China und der US-Bundesstaat Kalifornien haben eigene Systeme zur CO2-Bepreisung eingerichtet.
Versteckte Kosten der fossilen Energieträger auf Energiepreis umlegen
Bei der Nutzung konventioneller Energieträger entstehen in Deutschland durch staatliche Subventionen und Umweltbelastungen gesellschaftliche Kosten, die bisher im Strompreis und den Preisen für Wärme nicht abgebildet werden. Eine von Greenpeace Energy beauftragte Studie aus dem Jahr 2016 beziffert diese versteckten Kosten für 2017 je nach Szenario auf 33 bis 38 Milliarden Euro. So werden aus dem Bundeshaushalt etwa staatliche Finanzhilfen, Steuervergünstigungen und unterschiedliche Förderungen für die Atom- und Kohleindustrie finanziert. Eine höhere CO2-Abgabe würde diese Kosten, zumindest teilweise, auf den Energiepreis umlegen.
Ein angemessener Preis für Kohlendioxid würde zudem die Energiewende beschleunigen, Energieeffizienz bei Strom und Wärme sowie die Elektromobilität fördern und falsche Anreize für Investitionen in fossile Energieträger vermeiden. Im Grunde könnten mit einem höheren CO2-Preis alle weiteren Fördertatbestände aus dem Energierecht, wie etwa die Einspeisevergütung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), durch einen Markt ersetzt werden. Eine Regulierung des Ausbaus insbesondere der erneuerbaren Energien wäre dann nur noch mit Blick auf die Optimierung des Gesamtsystems nötig. „Gleichzeitig würde die Position der zahlreichen deutschen Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus dem Energiesektor massiv gestärkt und fit gemacht für internationale Herausforderungen“, so Tschamber.
Eine Studie in englischer Sprache zum CO2-Preis wurde im Mai 2017 vorgestellt.