Mit Entsetzen verfolgt das Deutsche Energieberater-Netzwerk DEN e.V. Versuche der Wohnungswirtschaft, vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise energetische Bauvorschriften rückgängig zu machen.
„Es ist schäbig, wenn der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft in Deutschland, der GdW, in einer Resolution die Wiedereinführung der Energieeinsparverordnung (EnEV) von 2009 fordert und mit der Wohnraumnot von Flüchtlingen und Asylsuchenden begründet“, sagt der Vorsitzende des DEN, Dipl.-Ing. Hinderk Hillebrands. „Hier wird gerade versucht,
mühsam erkämpfte klima- und energiepolitische Standards wieder auf ein wirtschaftlich lukrativeres Maß zu senken. Dass dies 'aus sozialer Verantwortung' gegenüber den Menschen in Not geschieht, wie es in der Resolution heißt, darf man durchaus bezweifeln.“
Der GdW hatte vor wenigen Tagen in einer Erklärung u.a. „das befristete Absenken von Standards und die Beschleunigung von Verfahren“ bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern gefordert. So würden die Preise für den Neubau von Wohnungen durch die seit Mai geltende EnEV 2014 und ihrer für Anfang 2016 geplanten Verschärfung um 7 Prozent steigen. Deshalb solle bis 2020 wieder der niedrigere Standard der EnEV 2009 gelten, fordert der Spitzenverband. Im GdW sind rund 3000 Unternehmen der Wohnungswirtschaft in Deutschland organisiert.
Die EnEV 2014 gilt als wichtiger Schritt in Richtung auf eine europaweite energiepolitische Angleichung bei bestimmten Gebäudestandards. Ab dem Jahr 2021 müssen nach den europäischen Vorgaben alle Neubauten im Niedrigstenergiegebäudestandard errichtet werden.
„Diese Resolution des GdW erinnert sehr an das berühmte Trojanische Pferd!“ kommentiert die Vorstandssprecherin des DEN, Dipl.-Ing., Marita Klempnow. „Hier wird versucht, Fördermittel in Anspruch zu nehmen und gleichzeitig energetisch minderwertigen Wohnraum zu schaffen. Die bis 2020 gebauten oder umgebauten Immobilien werden danach ja nicht in einen energetisch höherwertigen Zustand versetzt. Die bleiben für die nächsten Jahrzehnte erst einmal so.“
„Es ist nicht nur übel, die zweifellos vielerorts drängende Wohnungsnot angesichts von mehr als 800.000 Flüchtlingen für eigene wirtschaftliche und politische Interessen auszunutzen. Man scheint aber außerdem zu versuchen, längerfristig Fakten zu schaffen. Denn nachdem viele der Flüchtlinge wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind, werden daraus Sozialwohnungen entstehen. Und die entsprächen dann nicht den energetischen Normen, wären aber mit Bundesmitteln gefördert worden!“ erklärt Marita Klempnow.
Hillebrands stimmt der Ingenieurin zu: “Wenn die Bundesregierung auf diese durchsichtige Kampagne reinfällt, kann sie ihre international vereinbarten Klimaschutzziele gleich vergessen. Diese Erklärung des GdW ist ein fatales Signal kurz vor der Pariser Klimakonferenz. Wichtige Länder wie die USA und Brasilien wachen gerade auf und tun etwas gegen Treibhausgase. Und dann kommt der GdW und will im Wohnungsbau das Rad wieder zurückdrehen!“
Die beiden Ingenieure und DEN-Vorstandsmitglieder empfehlen dringend, auch angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise nicht an mühsam erarbeiteten Baustandards zu rütteln: „Es wäre durchaus zu begrüßen, wenn Planungsverfahren gestrafft und beschleunigt würden. Aber Asylpolitik und Bauvorschriften dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden - Brandschutz und Energieverordnungen dürfen
nicht verhandelbar sein!“