Als “befremdlich und besorgniserregend“ bezeichnet das Deutsche Energieberater-Netzwerk DEN e.V. Überlegungen aus Kreisen der EU-Kommission, Forschung und Entwicklung im Bereich der Kernenergie sowie den Bau neuer innovativer Reaktoren zu fördern. “Was nach technologischem Aufbruch klingt, ist der Versuch, 30 Jahre nach Tschernobyl und fünf Jahre nach Fukushima energiepolitisch das Rad wieder zurückzudrehen“, sagt dazu der Vorsitzende des DEN, Dipl.-Ing. Hinderk Hillebrands. “Man sollte gut aufpassen, dass nicht mit verharmlosenden Argumenten und Motivationen eine nachgewiesenermaßen gefährliche, teure und letztlich unbeherrschbare Technik wieder salonfähig gemacht wird.“
Medien hatten berichtet, ein Strategiepapier zur Vorlage bei der EU-Kommission befürworte ein neues Engagement im Nuklearbereich, um Europas technologische Vorherrschaft dort zu sichern. Man befürworte u.a. die Entwicklung und den Bau kleiner Reaktoren, die ab 2030 dezentral vor allem zur Wärmeerzeugung eingesetzt werden könnten. Damit solle die Abhängigkeit von russischen Gasimporten verringert werden. Und schließlich sei Kernenergie CO2-neutral und für das Erreichen der europäischen Klimaziele unverzichtbar.
Hillebrands hält diese Brüsseler Pläne für von mächtigen Wirtschaftsunternehmen fremdgesteuert: „Den großen Nuklearkonzernen scheinen die Felle davonzuschwimmen. Sie versuchen jetzt, noch Fakten zu schaffen, bevor es auch dem letzten Bürger klar wird, dass eine umwelt- und klimafreundliche Energieerzeugung nicht durch Atomkraft zu haben sein wird. Dieser aus den fünfziger und sechziger Jahren stammende Pfad hat sich inzwischen als Holzweg entpuppt.“
Der Ingenieur sieht in der Vorlage einen politischen Versuchsballon: „Das sieht wie ein Trojanisches Pferd der Atomindustrie aus. Klimaschutz und Unabhängigkeit von russischen Energieimporten scheinen vorgeschobene Argumente zu sein. Woher kommt denn das für die Kernkraft benötigte Uran? Die größten Uranreserven auf europäischem Boden befinden sich in Russland und der Ukraine. Unter dem Strich ist die Atomkraft die teuerste Form der Energieerzeugung. Und an ihr lässt sich deshalb auch am meisten verdienen.“
Unverantwortlich sei es, einer Renaissance der Atomkraft das Wort zu reden, während die Entsorgung der nuklearen Abfälle in keinem Land der Erde geklärt ist. Zudem sei das Konzept kleiner, dezentral verteilter Meiler Hillebrands zufolge absurd: „Mini-Reaktoren? Wer soll die denn schützen? In diesen Zeiten des internationalen Terrorismus haben wir schon ziemliche Probleme, die großen Anlagen vor denkbaren Angriffen zu sichern und gleichzeitig die Proliferation nuklearen Materials zu verhindern. Wer soll denn für die Sicherheit der Bevölkerung sorgen, wenn Mini-AKW quasi als Blockheizkraftwerke der Zukunft überall zu finden sind? Das ist eine Schnapsidee!“
Für den DEN-Vorsitzenden ist dezentrale Wärmeerzeugung besonders mittels erneuerbarer Quellen wie Sonnen-, Wind- und Wasserenergie sinnvoll. Die benötigten keine teuren Brennstoffe und seien denkbar ungefährlich. Für eine Übergangszeit sei auch die Kombination mit fossilen Brennstoffen akzeptabel, sofern in Anlagen wie etwa in modernen Blockheizkraftwerken hohe Wirkungsgrade erzielt werden.
Hillebrands: „Die deutsche Regierung tut gut daran, diese Brüsseler Pläne in aller Deutlichkeit zurückzuweisen. Die EU-Kommission sollte sich lieber Gedanken darüber machen, wie sie die Energiepolitiken der einzelnen Länder zukunftsweisend und klimafreundlich synchronisiert – mit erneuerbaren Energiequellen! Denen gehört die Zukunft, und nicht der Atomenergie. Das ist eine Technologie von gestern!“